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       # taz.de -- Parteitag der AfD: Keine Alternative für Berlin
       
       > Die AfD will auch in Berlin erfolgreich sein. Bei ihrem Parteitag
       > diskutierte sie aber vorwiegend bundespolitische Themen.
       
   IMG Bild: Proteste vor dem Hotel, wo die AfD tagte
       
       Für Beatrix von Storch ist dieser Landesparteitag enorm wichtig: Die
       Europaabgeordnete und Landesvorsitzende der Berliner Alternative für
       Deutschland (AfD) steht nach ihren Äußerungen zum Schießbefehl auf Kinder
       und den jüngsten Spiegel-Veröffentlichungen zu ihren internen E-Mails unter
       erhöhter Beobachtung. Weitere allzu steile Thesen wären wenig hilfreich;
       eine schnelle Verabschiedung des Wahlprogramms am Sonntag dagegen
       wünschenswert, nicht nur, weil am Abend am gleichen Ort noch die offizielle
       Wahlparty aus Anlass der drei Landtagswahlen stattfindet.
       
       Kein Wunder, dass Storch im biedergrünen Jäckchen zu Beginn „Disziplin“ von
       den gut 200 stimmberechtigten Mitgliedern einfordert: Nicht jeder müsse zu
       allem etwas sagen; um halb sechs soll der 30-seitige Leitantrag zum
       Wahlprogramm abgearbeitet sein. Danach taucht die Landeschefin erst mal ab.
       
       Und der Parteitag arbeitet sich durch das Lieblingsthema der
       christlich-konservativen Vorsitzenden: Familie und Kinder. Das steht an
       Punkt eins des Wahlprogramms. Dass da die meisten Punkte bundespolitische
       Angelegenheiten sind, und das Berlin Abgeordnetenhaus daran wenig ändern
       kann – geschenkt. Und so streiten sich die Mitglieder die ersten zwei
       Stunden über Themen wie Gender Mainstreaming, Homosexualität und ein
       „Begrüßungsgeld für Neugeborene“ in Höhe von 1.000 Euro – für deutsche
       Kinder, die in Deutschland geboren werden.
       
       Der Antrag wird nur knapp abgelehnt, nachdem der einstige FDP-Abgeordnete
       Axel Hahn darauf hingewiesen hat, dass künftige AfD-Mitglieder im
       Abgeordnetenhaus vor allem Kürzungen beschließen müssten. Ein anderes
       Mitglied warnte zudem vor einer öffentlichen Debatte, die die Beschränkung
       auf deutsche Kinder sicher mit sich brächte.
       
       Vermeintlich liberalere Kräfte bekamen auf dem Parteitag dennoch eine
       Abfuhr. So wurde dem Wahlprogramm in letzter Minute noch ein explizites
       Adoptionsverbot für Homosexuelle hinzugefügt; der Änderungsvorschlag, dass
       Frauen bei Abtreibungen das letzte Wort haben sollten, wurde dagegen
       abgeschmettert.
       
       Wie willkürlich die AfD Thesen nutzt, wenn sie ihr irgendwie passen, zeigt
       sich kurz darauf: Der Parteitag beschloss, dass das muslimische Kopftuch
       „unvereinbar mit den frauenemanzipatorischen Werten der europäischen
       Moderne“ sei.
       
       Und dann meldet sich Storch doch noch einmal zu Wort. Jemand hatte – in
       Ausnahmefällen – eine Kitapflicht gefordert. Als Europa-Abgeordnete wehre
       sie sich gegen solche Eingriffe des Staates in die Familie, warf Stoch
       hektisch in den Raum. Und fügte hinzu: „Wenn die AfD jetzt über eine
       Kitapflicht nachdenkt, muss ich darüber nachdenken, ob das noch meine
       Partei ist.“ Der Antrag wird klar abgelehnt.
       
       Derzeit steht die Partei, die in Berlin nach eigenen Angaben knapp 1.000
       Mitglieder hat, in Umfragen bei sieben Prozent. Storchs Co-Vorsitzender
       Georg Pazderski sagt ihr trotzdem für den September schon einmal ein
       zweistelliges Ergebnis voraus. Man lasse sich jedenfalls nicht mehr dadurch
       aufhalten, dass die Partei keine Räume für ihre Veranstaltungen finde. Der
       Parteitag am Sonntag fand in einem Hostel (“Betten ab neun Euro“) in
       Lichtenberg statt; den ursprünglich vorgesehen Ort in Mitte hatte der
       Vermieter wieder zurückgezogen.
       
       Trotz der Abgeschiedenheit inmitten des Plattenbauviertels mussten rund 150
       Polizisten den Parteitag schützen; ebenso viele Menschen demonstrierten am
       Sonntagmorgen dagegen. Ein von ihnen aufgebautes „Tortenkatapult“ – in
       Anspielung auf den Tortenwurf auf Storch vor einigen Wochen –
       beschlagnahmte die Polizei am Ende des Protests.
       
       13 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bert Schulz
       
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