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       # taz.de -- Die AfD nach den Landtagswahlen: Das rechte Potpourri
       
       > Die AfD feiert ihre Landtagseinzüge. Die Erfolge bergen aber auch Gefahr:
       > Streit und peinliche Auftritte der Neulinge stehen bevor.
       
   IMG Bild: Regieren oder opponieren? Frauke Petry wirkte am Montag in Berlin angespannt
       
       BERLIN taz | Am Montag kostet Gottfried Backhaus seinen Erfolg aus. Seit
       Wochen sei er im Wahlkreis unterwegs gewesen, „immer nah am Wähler“. Es hat
       sich gelohnt: Nun ist der 57-Jährige mit dem grauen Rauschebart, bis
       Sonntag noch Orgelbauer im kleinen Mücheln in Sachsen-Anhalt, plötzlich
       Landtagsabgeordneter für die AfD.
       
       Dabei stand Backhaus nicht mal auf der Landesliste der Rechtspopulisten.
       Dem vierfachen Vater aber half ein Coup: Er gewann aus dem Stand in seinem
       Wahlkreis [1][ein Direktmandat], mit 9.670 Stimmen und 33,1 Prozent – gegen
       eine bekannte CDU-Frau, die seit 26 Jahren im Landtag sitzt. Keiner holte
       mehr Stimmen für die AfD im Land als er.
       
       Backhaus ist kein Einzelfall. 15 Direktmandate ergatterte die AfD in
       Sachsen-Anhalt – die SPD bekam kein einziges, die Linke nur eines.
       Landesweit erreichten die Rechtspopulisten 24,2 Prozent. Dabei zählt die
       AfD im Land [2][nur knapp 300 Mitglieder]. 24 von ihnen sitzen nun im
       Landtag, fast alle ohne Politikerfahrung.
       
       Und auch in Rheinland-Pfalz holte die Partei 12,6 Prozent und 14 Sitze. In
       Baden-Württemberg waren es gar 15,1 Prozent und 23 Mandate, zwei davon
       direkt: in Pforzheim und Mannheim.
       
       ## Petry wirkte in Berlin angespannt
       
       Entsprechend feierte sich die AfD-Spitze am Montag in Berlin. Erstmals war
       sie in den großen Saal der Bundespressekonferenz eingeladen. Die fünf
       AfD-Funktionäre genossen sichtlich das Interesse der Hauptstadtpresse.
       „Unsere Erwartung wurde noch übertroffen“, strahlte Jörg Meuthen,
       AfD-Bundeschef und künftiger Fraktionschef in Stuttgart. Die Wähler der
       Partei bildeten einen „Querschnitt der Bevölkerung ab“.
       
       André Poggenburg, der national-konservative Parteichef aus Sachsen-Anhalt,
       sprach gar von einem „großen Tag für die Demokratie, ein großer Tag für
       Deutschland“.
       
       Parteichefin Frauke Petry wirkte dagegen angespannt. Schnell hackte sie
       ihre Stichworte herunter: „Guter Tag für die Demokratie“, „massive
       Diffamierungsversuche“. Sie kündigte an, die AfD wolle „die Partei des
       sozialen Friedens“ werden. Wie das allerdings zum Entwurf ihres
       Parteiprogramms passt, mit dem die AfD etwa das Arbeitslosengeld I
       privatisieren will, sagte Petry nicht.
       
       Uwe Junge, Spitzenkandidat in Rheinland-Pfalz, bekundete derweil, er strebe
       keine Fundamentalopposition an: „Wir sind immer dialogbereit.“ Etwas anders
       klang es bei Alexander Gauland, Vizechef der AfD: „Wir gehören in die
       Opposition, noch eine ganze Zeit.“
       
       ## Regieren oder nicht regieren?
       
       Vielleicht liegt hier der Grund für Petrys Angespanntheit. Bis zu den
       Wahlen hatte die Parteispitze, die um den Kurs der AfD ringt, einen
       Burgfrieden geschlossen, um durch Streit das gute Abschneiden bei den
       Landtagswahlen nicht zu gefährden. Petry hatte jüngst mehrfach ausgeführt,
       dass sie die AfD möglichst schnell in Regierungsverantwortung führen wolle.
       Das wiederholte sie am Montag nach Gaulands Einlassung nicht.
       
       Der Streit dürfte bald offen aufbrechen – auch in den Landtagsfraktionen.
       Mit den vielen Abgeordneten findet sich dort nun eine enorme Bandbreite an
       Positionen. Wie weit rechts sich die AfD positionieren soll – die Gewählten
       sind sich darüber keineswegs einig. Streit ist also vorprogrammiert.
       
       Und noch ein Risiko: eine Selbstdemontage. Schon im Wahlkampf fielen
       etliche AfD-Kandidaten mit kruden Forderungen auf – nun sitzen sie im
       Landtag. In Sachsen-Anhalt schrieb ein Neuabgeordneter über Tierquäler:
       „Erschießen wäre zu soft.“ Eine Kandidatin forderte, Hartz IV abzusenken
       und mehr deutsche Stücke in Theatern aufzuführen.
       
       Im Stuttgarter Landtag sitzt für die AfD nun ein Onkologe, der den Koran
       mit Hitlers „Mein Kampf“ verglich und den grünen Stuttgarter
       Oberbürgermeister Fritz Kuhn einen „fiesen faschistoid-populistischen
       Scharfmacher“ nannte. Oder eine Zahnärztin, die Einwanderung als
       „schleichenden Genozid der deutschen Bevölkerung“ bezeichnete. Und Bernd
       Grimmer, der für die AfD das Direktmandat in Pforzheim holte und
       Grünen-Mitbegründer war, stand auf einem E-Mail-Verteiler des
       rechtsextremen „Freundeskreis ein Herz für Deutschland“.
       
       Auch in Rheinland-Pfalz ziehen ein Abtreibungsgegner in den Landtag ein
       oder eine Ärztin, die vor Infektionsgefahr durch Flüchtlinge warnte.
       
       ## In Sachsen-Anhalt dominiert das Völkisch-Nationalistische
       
       Der Ton in den Landtagen dürfte daher mit dem Einzug der AfD rauer werden –
       und rechter. Vor allem in Sachsen-Anhalt dominieren Anhänger eines
       völkisch-nationalistischen Kurses die AfD-Fraktion. Anführer Poggenburg
       gehört zu den Initiatoren von deren Manifest, der „Erfurter Resolution“.
       Unterzeichner sind auch die sechs folgenden Listenkandidaten. Der Zweite,
       Daniel Roi, nennt CDU und SPD das „regierende Parteienkartell“, wirft ihnen
       „Laberei“ und „Lügen“ vor. Im Landtag stand er am Sonntag mit einem Schild:
       „Das ist unser Land.“ Das „unser“ war doppelt unterstrichen.
       
       In seiner Heimat Bitterfeld führt Roi mit den Protest gegen eine
       Flüchtlingsunterkunft an. Er werde „alles unterstützen, was dazu führt,
       dass wir dort kein Asylheim hinbekommen“, kündigte er an. Auch Hans-Thomas
       Tillschneider, der Merkel mal eine „durchgeknallte FDJ-Sekretärin für
       Agitation“ nannte, gehört zu den Rechtsaußen der neuen Fraktion. Alle drei
       – Poggenburg, Roi, Tillschneider – bekamen Direktmandate. Dabei zog etwa
       Tillschneider kürzlich überhaupt erst nach Sachsen-Anhalt.
       
       Auch der Müchelner Gottfried Backhaus, der sich gern bodenständig gibt,
       1989 Gründungsmitglied des Neuen Forums war und gegen Schulschließungen
       kämpft, kann anders. Er habe „schon immer angeeckt“, sagt er. Im Internet
       rief er zum Protest gegen das „kaputte und deutschfeindliche Staatssystem“
       auf. Den kann Backhaus nun im Landtag ausleben.
       
       14 Mar 2016
       
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