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       # taz.de -- Finnischer Kampf gegen Hetze im Netz: Journalisten gegen „Lügenmedien“
       
       > Finnische Chefredakteure haben sich gemeinsam gegen Hetze im Netz
       > ausgesprochen. Das wäre in Deutschland kaum denkbar.
       
   IMG Bild: „Hate Speech“ im Netz.
       
       Berlin taz | Sie wollen den Hass, die fremdenfeindliche Propaganda und die
       Verbreitung erlogener Nachrichten im Internet nicht länger ignorieren. „Wir
       weigern uns, Lügenmedien als stumme Mitläufer auch noch zu befördern“,
       kündigten die 22 ChefredakteurInnen der finnischen Zeitungen und des
       öffentlich-rechtlichen Rundfunks am Dienstag in einer gemeinsamen Erklärung
       an. Man wolle sich ab jetzt offensiver mit Falschmeldungen und
       Hetzkampagnen im Internet auseinandersetzen: „Wir werden diesen mit
       relevantem, auf Tatsachen beruhendem Journalismus begegnen.“
       
       Der öffentliche Diskurs sei in Finnland im Zusammenhang mit der
       Flüchtlingsdebatte drastisch verroht, schreiben die Medienchefs. „Die
       Grenzen des Anstands sind seit Langem überschritten.“ Vor allem
       „Propagandamedien im Netz“, die sich den Anschein seriöser
       Nachrichtenquellen zu geben versuchten, hätten zu einer „Vergiftung“ des
       Debattenklimas beigetragen. In den sozialen Medien und den Kommentarfeldern
       seien aggressive Stimmung, Kränkung und Mobbing massiv angestiegen.
       
       Lügengeschichten seien alltäglich geworden. Gegen einzelne JournalistInnen
       gebe es Verleumdungskampagnen und es werde versucht, sie mit Drohungen zum
       Schweigen zu bringen. Weil sich offenbar niemand dafür verantwortlich
       fühle, dem entgegenzutreten, „müssen wir seriösen Medien das tun“, sagt
       Tommy Westerlund, Chefredakteur des Hufvudstadsbladet. Neben
       „Counter-Speech“, der Gegenrede im Netz, versprechen die Journalistinnen
       mehr Gründlichkeit in ihren eigenen Berichten.
       
       Auch strafrechtlich tut sich in Finnland etwas: Die Justiz hat Ermittlungen
       gegen die populäre und ausländerfeindliche Netzpublikation MV-Lehti
       eingeleitet. Politische Jugendorganisationen werfen den Betreibern der
       Seite vor, gegen das Rassismusverbot zu verstoßen und den
       gesellschaftlichen Frieden unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit zu
       gefährden.
       
       Auch in Deutschland sprechen sich immer wieder JournalistInnen gegen den
       zunehmenden Hass im Netz aus – allerdings nie gemeinsam. Vor gut zwei
       Wochen erhielt die ARD-Journalistin Anja Reschke den Preis als Journalistin
       des Jahres, unter anderem für ihren „Tagesthemen“-Kommentar, in dem sie für
       einen „Aufstand der Anständigen“ warb.
       
       ## „Wir sind keine Übermenschen“
       
       Die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali, die Anfang Februar die „Goldene Kamera“
       erhielt, nutzte ihre Dankesrede für eine Rede gegen den Hass: „Glaubt
       eigentlich irgendjemand, dass das irgendetwas bringt, dieser ganze Hass?
       Diskutieren Sie mit uns. Weisen Sie uns auf Fehler hin. Wir sind
       Journalisten, wir sind keine Übermenschen.“
       
       Ähnliche Statements gibt es aus vielen Redaktionen, dennoch bleibt die
       Strategie der deutschen Medienhäuser bislang defensiver als die der Finnen:
       Laut einer aktuellen Umfrage des Medienmagazins journalist hat in den
       vergangenen zwölf Monaten fast jede zweite Zeitungsredaktion die
       Kommentarfunktion auf ihrer Website eingeschränkt, weil sie die Flut an
       rechten und strafrechtlich relevanten Kommentaren nicht mehr bewältigen
       können.
       
       Dass sich deutsche ChefredakteurInnen gegen den Hass wirklich
       zusammenschließen, ist allerdings kaum zu erwarten. Schließlich haben sie
       das in der Vergangenheit nicht einmal getan, wenn es um ihre eigenen
       wirtschaftlichen Interessen ging: weder bei der Diskussion über das
       Leistungsschutzrecht noch bei der Frage nach Bezahlmodellen im Internet.
       Wieso sollten sie also jetzt?
       
       2 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
   DIR Anne Fromm
       
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