# taz.de -- Vor dem EU-Türkei-Gipfel: Merkel will „Beschlüsse umsetzen“
> Schutz der Außengrenze, Hilfe für Griechenland: Das Treffen in Brüssel
> soll Fortschritte in der Flüchtlingskrise bringen. Die Türkei
> siganlisierte Unterstützung.
IMG Bild: In der Flüchtlingskrise aufeinander angewiesen: Bundeskanzlerin Merkel und der türkische Ministerpräsident Davutoglu.
Berlin epd/dpa/afp | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dringt vor dem
EU-Türkei-Gipfel auf die Umsetzung der bisherigen Beschlüsse. „Ich erwarte,
dass wir Schritt für Schritt das praktisch umsetzen, worauf wir uns beim
letzten Europäischen Rat im Februar mit allen 28 Mitgliedstaaten geeinigt
haben“, sagte Merkel der [1][Bild am Sonntag]. „Wir können diese
Herausforderung nur gemeinsam bewältigen.“
Die EU-Staats- und Regierungschefs treffen sich am Montag mit dem
türkischen Regierungschef Ahmet Davutoglu. Für die Gespräche in Brüssel
sieht Merkel drei Punkte als besonders wichtig an. „Drei Dinge werden im
Vordergrund stehen: Erstens die EU-Türkei-Agenda, zum Beispiel die Frage,
für welche Projekte die drei Milliarden Euro Unterstützung für Flüchtlinge
in der Türkei eingesetzt werden. Zweitens die Frage, wie wir die
EU-Außengrenze schützen können. Und drittens, wie wir Griechenland in
dieser schwierigen Situation helfen können, das mit der Last nicht
alleingelassen werden darf.“
Merkel betonte, es habe keine Wende in ihrer Flüchtlingspolitik gegeben und
widersprach damit CSU-Chef Horst Seehofer: „Das ist kein Kurswechsel“,
sagte die Bundeskanzlerin. „Ich arbeite weiter dafür, dass wir die
türkisch-griechische EU-Außengrenze der Europäischen Union schützen und so,
verbunden mit der Bekämpfung der Fluchtursachen, die Zahl der illegalen
Flüchtlinge für alle Mitgliedstaaten dauerhaft senken und nicht nur für
einige.“
Aus der Türkei kamen vor dem Gipfel Signale, Migranten ohne Asylanspruch
wieder zurückzunehmen. Das würde die Europäer entlasten. Um konkrete Zahlen
sei es in Vorgesprächen zwischen EU-Spitzenvertretern und der Regierung in
Ankara aber nicht gegangen, hieß es am Wochenende in Brüssel. In der
vergangenen Woche hatte die Türkei erstmals seit langer Zeit mehrere
Hundert Migranten aus Griechenland zurückgenommen.
## Humanitäre Lage in Griechenland spitzt sich zu
In einem Brief an die EU-Staats- und Regierungschefs äußerte sich
EU-Ratschef Donald Tusk vorsichtig optimistisch. Erstmals seit Beginn der
Krise könne er einen Konsens erkennen. Der liberalkonservative Pole hatte
zuvor bereits potenziell illegale Wirtschaftsmigranten gewarnt, nicht nach
Europa zu kommen. Mit Blick auf die Rücksendung von Flüchtlingen von
Griechenland in die Türkei schrieb Tusk am Freitag an die EU-Chefs: „Der
politische Wille ist da, aber es gibt eine logistische Herausforderung, bei
der wir Griechenland helfen müssen.“
Die [2][humanitäre Lage in Griechenland] bleibt dennoch schwierig. Das Land
formulierte vor dem Gipfel deshalb klare Forderungen an die europäischen
Partner: Regierungschef Alexis Tsipras und die wichtigsten Parteien des
Landes bestehen auf einer Verteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Länder.
Mitgliedstaaten, die sich nicht an die Vereinbarungen halten, sollten
bestraft werden. Nach der weitgehenden Schließung der Balkanroute hängen
mehr als 10.000 Flüchtlinge an der griechisch-mazedonischen Grenze fest.
Österreichs Kanzler Werner Faymann drängte die Bundesregierung erneut, eine
Jahresobergrenze für die Aufnahme von Asylsuchenden festzulegen. „Auch
Deutschland muss eine Zahl für die Aufnahme von Flüchtlingen sagen, die es
bereit ist, aus der Region um Syrien und der Türkei zu holen“, sagte
Faymann in einem Interview mit der Zeitung Kurier. „So lange Deutschland
das nicht sagt, ist klar, was passiert: Die Flüchtlinge glauben weiterhin,
dass sie durchgewunken werden.“
## Kritik an türkischem Vorgehen gegen Zeitung
Vor dem Gipfel gab es erneut Irritation über den Kurs türkischer Behörden:
Die Polizei stürmte am Freitagabend das Redaktionsgebäude der
oppositionellen Zeitung „Zaman“. Gegen Demonstranten gingen die Polizisten
mit Tränengas und Wasserwerfern vor, wie die Zeitung [3][in ihrer
englischen Ausgabe online berichtete].
Der SPD-Europapolitiker Ismail Ertug forderte die EU-Partner auf, diese
Repressionen beim Gipfel klar und deutlich anzusprechen. „Es kann nicht
sein, dass allein über die Flüchtlingsfrage verhandelt wird, während das
Erdogan-Regime Teile der türkischen Verfassung außer Kraft setzt“, teilte
der EU-Abgeordnete mit. Die Türkei geht seit Dezember auch in einer
Großoffensive gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK vor.
Unter den 28 EU-Staaten zeichnet sich ab, dass Griechenland schnell
geholfen wird, um einen humanitären Notstand abzuwenden. Die EU-Kommission
hatte am Mittwoch eine Nothilfe von 700 Millionen Euro vorgeschlagen. Diese
hat nichts zu tun mit dem Rettungsprogramm von bis zu 86 Milliarden Euro,
das im vergangenen Jahr zur Verhindern einer Staatspleite in Athen
aufgelegt wurde. Auch ein Papier der EU-Kommission zur Bewahrung des
Schengen-Systems für den passfreien Reiseverkehr wurde im Kreis der
Mitgliedsländer positiv aufgenommen.
6 Mar 2016
## LINKS
DIR [1] http://www.bild.de/politik/inland/angela-merkel/muessen-wie-uns-an-solche-bilder-gewoehnen-44822104.bild.html
DIR [2] /Fluechtlinge-in-Griechenland/!5284114
DIR [3] http://www.todayszaman.com/national_turkish-police-raid-zaman-hqs-fire-tear-gas-on-readers-after-govt-takeover_414040.html
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