URI: 
       # taz.de -- Kommentar Wahl in der Slowakei: Bald unregierbar?
       
       > Nur acht Asylanträge bewilligte die Slowakei 2015. Dennoch profitieren
       > bei der Wahl Rechtsextreme. Das erschwert die Regierungsbildung.
       
   IMG Bild: Premier Robert Ficos Partei SMER stürzt von 44 auf unter 29 Prozent ab.
       
       Im vergangenen Jahr wurden in der Slowakei 169 Asylanträge gestellt. Davon
       wurden acht (!) bewilligt. Ein Flüchtlingsproblem kennt das Land also nur
       aus dem Fernsehen und aus den Wahlkampfauftritten von Premier Robert Fico,
       der vor einer Flut von Kriminellen, Islamisten und Selbstmordattentätern
       warnte, die eine schutzlose Bevölkerung bedrohen würden, wenn er nicht an
       der Macht bliebe. Die Angstmache hat gegriffen: Satte 89 Prozent der
       Slowaken wollen nicht, dass die EU Flüchtlinge im Land ansiedelt.
       
       Für Fico hat sich der Schimären-Wahlkampf aber nicht gelohnt. Seine Partei
       Smer stürzte von 44 auf unter 29 Prozent ab. Davon profitieren die
       Rechtsextremen der „Volkspartei Unsere Slowakei“ von Marian Kotleba, die
       mit acht Prozent der Stimmen und 14 Abgeordneten erstmals ins Parlament
       einziehen wird. „Imaginäre Immigranten brachten sehr reale Neonazis ins
       slowakische Parlament“, twitterte die politische Analystin Otilia Dhand,
       als das Wahlergebnis sich abzeichnete.
       
       Fico, der seine Partei als sozialdemokratisch betrachtet, hat die absolute
       Mandatsmehrheit verloren und braucht jetzt mindestens zwei
       Koalitionspartner, um weiter regieren zu können. Auch eine Allianz der
       Rechtsparteien gegen Ficos Smer ist rechtlich möglich. Das wird allerdings
       kompliziert: Von neoliberal bis offen faschistoid sind die Parteien
       untereinander so zerstritten, dass sie eine Zusammenarbeit schon im Vorfeld
       kategorisch ausgeschlossen haben.
       
       Knappe vier Monate vor der erstmaligen Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft
       präsentiert sich die Slowakei als so gut wie unregierbar. Neuwahlen können
       wohl erst nach der halbjährigen EU-Ratspräsidentschaft angesetzt werden.
       Der parteilose Präsident Andrej Kiska könnte dann ein Kabinett
       zusammenstellen, das größtenteils aus Technokraten bestünde. Außenminister
       Miroslav Lajčák würde sich als Regierungschef anbieten. Er hat sich in
       letzter Zeit trotz Visegrád pro Europa positioniert. Da die
       Ratspräsidentschaft schon längere Zeit vorbereitet wurde und zumindest die
       relevanten Parteien dem Programm zugestimmt haben, besteht die Chance, dass
       zumindest beim Thema Europa Burgfriede herrschen würde.
       
       Dennoch: Innenpolitisch bleibt die Situation verfahren. Die Zersplitterung
       des Parteienspektrums und ein Parlament mit acht Parteien werden die
       Slowakei auf absehbare Zeit zu einem Herd der Instabilität in Europa machen
       – wenn nicht gänzlich unregierbar.
       
       7 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
       ## TAGS
       
   DIR Slowakei
   DIR Parlamentswahl
   DIR Rechtstextreme
   DIR Robert Fico
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Robert Fico
   DIR Grenze
   DIR sexueller Missbrauch
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Fortschritt und Reaktion in der Slowakei: Von Ökokapseln und Klerikalfaschisten
       
       Die Slowakei entwickelt sich gut. Bratislava zählt zu den reichsten Städten
       Europas. Gleichzeitig gedeiht ein harter Nationalismus. Eine Spurensuche.
       
   DIR Wahl in der Slowakei: Fico liegt vorn, Faschisten sind drin
       
       Regierungschef Fico hat die Wahl in der Slowakei gewonnen, braucht aber
       einen Koalitionspartner. Rechtsextreme ziehen ins Parlament ein.
       
   DIR Griechisch-mazedonische Grenze: Schlamm nach Starkregen in Idomeni
       
       Schlamm und Kälte setzen den Flüchtlingen an der griechisch-mazedonischen
       Grenze zu. EU-Mitglieder helfen Mazedonien mit Polizei und Grenzern.
       
   DIR UN-Bericht aus 21 Ländern: Blauhelme unter Missbrauchsverdacht
       
       In einem UN-Bericht werden Blauhelme aus 21 Ländern des sexuellen
       Missbrauchs beschuldigt. Die UNO spricht von einem „besorgniserregenden“
       Anstieg der Fälle.