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       # taz.de -- McKinsey und die Folgen: Müller windet sich raus
       
       > Hat die Senatskanzlei einem früheren Staatssekretär mit SPD-Parteibuch
       > einen Beratervertrag besorgt? Der Regierende Bürgermeister bestreitet
       > eine Einflussnahme.
       
   IMG Bild: Hier noch ganz entspannt auf der Ministerpräsidentenkonferenz: der Regierende Bürgermeister Michael Müller (r.) und sein Senatskanzleichef Björn Böhning. Dann wurde Müller ins Abgeordnetenhaus zitiert
       
       Es kommt nicht allzu oft vor, dass der Regierende Bürgermeister vom
       Abgeordnetenhaus herbeizitiert wird. Schließlich hat der Senat im Parlament
       die Mehrheitsfraktionen auf seiner Seite, die entsprechende Anträge in der
       Regel abbügeln. Am Donnerstag hat es die Opposition dennoch geschafft. Sie
       wollte Auskunft von Michael Müller (SPD) über die neuesten Entwicklungen in
       Sachen McKinsey. Der Vorwurf steht im Raum, dass die Senatskanzlei dem
       Ex-Justizstaatssekretär Lutz Diwell (SPD) über die Beraterfirma einen
       lukrativen Beratervertrag zugeschanzt hat.
       
       Dass sowohl der Regierende als auch sein Senatskanzleichef Björn Böhning
       bei der Debatte erst fehlten, kommentierte Benedikt Lux (Grüne) mit den
       Worten: „Man sieht, dass sich hier heute weggeduckt wird.“ Ungerührt lehnte
       Rot-Schwarz dennoch den Antrag der Opposition ab mit dem Argument, der
       Regierende fehle entschuldigt wegen der zeitgleich tagenden
       Ministerpräsidentenkonferenz. Dann aber beriet sich der Ältestenrat und
       kurz darauf hieß es: Müller kommt doch.
       
       Der Tagesspiegel hatte am Mittwoch berichtet, dass mit den 238.000 Euro,
       die McKinsey kürzlich von der Senatskanzlei bekommen hatte für Hilfe beim
       „Masterplan Integration“, vor allem der ehemalige Staatssekretär Diwell
       bezahlt worden sei, der wiederum externer Berater von McKinsey war. Laut
       der Zeitung hatte Diwell Monate zuvor Müllers neuer Stabschef für
       Flüchtlingsfragen werden sollen, was aber an den übertriebenen
       Gehaltsvorstellungen des Anwalts gescheitert sei.
       
       Bekanntlich bekam dann Dieter Glietsch den Posten. Pikant ist die Sache
       auch deshalb, weil McKinsey die 238.000 Euro ohne Ausschreibung bekommen
       hatte. Böhning hatte dies dem Parlament so erklärt, nur McKinsey käme für
       den Masterplan infrage aufgrund der „einzigartigen Expertise“ der Firma.
       Besonders erzürnt waren Grüne, Linke und Piraten zudem, weil Rot-Schwarz
       Fragen zu alldem am Mittwoch im Hauptausschuss abgeblockt hatte.
       
       Am frühen Nachmittag konnte die Opposition ihre Fragen dann loswerden. Aber
       erst durch Nachfrage von Martin Delius (Piraten) kam es zum entscheidenden
       Punkt: Hat die Senatskanzlei auf McKinsey Einfluss genommen, damit die
       Beraterfirma Diwell engagiert? Müller: „Von mir oder über mich hat es
       keinerlei Einfluss gegeben, dass Herr Diwell Aufträge von McKinsey
       bekommt.“ Er sagte aber auch: „Ich bin nicht bei jedem Gespräch dabei.“
       Womit er offen ließ, welche Rolle Böhning bei der Sache spielte.
       
       Ansonsten trug der Regierende nicht viel zur Aufklärung bei. Der
       SPD-Politiker antwortete sichtlich ungeduldig und wich mit weitschweifigen
       Erklärungen darüber, warum man McKinsey habe engagieren müssen, wiederholt
       aus. Zu Diwell sagte Müller, er habe „zwei 20-Minuten-Gespräche“ mit ihm
       geführt im August, September, später habe dieser die Senatskanzlei
       unentgeltlich beraten. In der nicht unwichtigen Frage, ob und wann er von
       einer Verbindung zwischen Diwell und McKinsey gewusst habe, blieb er
       widersprüchlich. Zunächst sagte er, „soweit ich weiß“, sei die
       Senatskanzlei im Laufe des Januar darüber informiert worden. Später
       erklärte er, er habe nicht gewusst, dass Diwell einen Vertrag mit McKinsey
       habe.
       
       Ausgestanden ist die Sache für die SPD damit nicht, zumal auch die CDU noch
       Fragebedarf hat: Im nächsten Hauptausschuss Mitte Mai wird Böhning wohl
       gegrillt werden. Aber es werde wohl schwer, ihm nachzuweisen, dass er Druck
       auf McKinsey augeübt habe, um Diwell ein Pöstchen zu verschaffen, sagte die
       grüne Abgeordnete Canan Bayram der taz. Eine Rücktrittsforderung sieht sie
       daher noch nicht.
       
       17 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Memarnia
       
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