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       # taz.de -- Abgesagte Preisverleihung in München: Kein Preis für Israel-Boykott
       
       > Die Stadt hat die Ehrung einer Frauengruppe abgesagt. Sie soll
       > israelische Waren boykottiert und den Staat Israel dämonisiert haben.
       
   IMG Bild: Der Stein des Anstoßes: Die Kampagne „Boycott, Divestment and Sanktions“ gilt als antisemitisch
       
       München taz | Heidi Meinzolt nimmt die Sache mit, und sie ist wütend. „Ich
       bin sehr betroffen von dem Vorwurf, antisemitisch zu sein“, sagt die
       Münchnerin, die schon seit Jahrzehnten in der Frauenbewegung aktiv ist. Am
       Donnerstagabend hätten sie und ihre Mitstreiterinnen von der
       Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF) im Rathaus am
       Marienplatz gewürdigt werden sollen. Die Gruppe hatte den Anita Augspurg
       Preis der Stadt München erhalten – aber nur für ein paar Wochen.
       
       Der Preis, benannt nach einer frühen Frauenrechtlerin, ist mit 5.100 Euro
       dotiert und ging in der Vergangenheit schon an ein Frauentherapiezentrum,
       eine Lesbenberatungsstelle oder einen Mädchentreff. Diesmal sollte der
       Münchner IFFF-Ableger dran sein. Die Organisation blickt auf eine mehr als
       hundertjährige, internationale Geschichte zurück. In 43 Ländern ist sie mit
       insgesamt 40.000 Mitgliedern vertreten.
       
       Doch zur Preisverleihung kam es nicht. Nach dem einstimmigen Beschluss des
       zuständigen Stadtrats-Ausschusses meldete die CSU-Fraktion Bedenken an.
       Wirtschafts-Bürgermeister Josef Schmid störte sich daran, dass die IFFF
       eine Aktion zum Boykott israelischer Waren unterstützt. Es handelt sich
       dabei um die Kampagne BDS (Boycott, Divestment and Sanctions). Zudem wurde
       recherchiert, dass Heidi Meinzolt im Jahr 2009 in einem Artikel die
       israelische Politik scharf kritisiert und sie im Palästinenserkonflikt als
       „Vernichtungsmaschine“ bezeichnet hatte.
       
       Ist das ein antisemitischer Kampfbegriff? Die Grünen-Stadträtin Lydia
       Dietrich, die für die Auswahl der Preisträger-Gruppe zuständig war, findet
       den Begriff „ausgesprochen schwierig“. Meinzolt selbst sagt: „Ich würde den
       Ausdruck so nicht mehr verwenden. Ich habe festgestellt, dass er sehr
       verletzend ist.“ Einen Israel-Boykott wiederum habe es vom Münchner
       IFFF-Ableger selbst nicht gegeben: „Wir haben weder an solchen
       Veranstaltungen teilgenommen noch dazu aufgerufen.“
       
       Nachdem sie das auch dem zuständigen Ältestenrat des Stadtrats gesagt
       hatte, schien zunächst alles in Ordnung – bis die CSU ihre Zustimmung zur
       Preisverleihung doch noch verwehrte. Eine „echte Distanzierung“ von den
       Boykott-Aktionen sei seitens des IFFF-Ablegers nicht erfolgt, sagte
       Bürgermeister Schmid.
       
       ## Obsessive Beschäftigung mit Israel
       
       Da es üblich ist, einstimmig für den Preisträger zu votieren, wurde der
       Preis wieder aberkannt und die Verleihung gestrichen. Das CSU-Verhalten
       empfindet Lydia Dietrich als „sehr unglücklich und unfair“.
       
       Richtig ungut wird die Angelegenheit, weil die Israelitische Kultusgemeinde
       München nun schon seit Tagen wüste antisemitische Zuschriften in ihrem
       Briefkasten findet. Der unterschwellige Vorwurf: Die Gemeinde-Vorsitzende
       Charlotte Knobloch habe über CSU-Stadtrat und Gemeindemitglied Marian
       Offman Einfluss auf die Entscheidung und die Preisverleihung genommen.
       
       Das bestreitet die Gemeinde allerdings. „Im Vorfeld haben wir von der
       Preisvergabe nichts gewusst“, sagt ein Sprecher entschieden.
       
       Erst nachdem der Preis abgesagt worden war, hatte sich Charlotte Knobloch
       überhaupt öffentlich geäußert. Ihre Haltung ist klar. Die internationale
       IFFF-Dachorganisation beschäftige sich, sagt sie, „völlig übermäßig und
       obsessiv mit Israel“ und schrecke dabei nicht vor „üblen, überzogenen
       Diffamierungen und Dämonisierungen des israelischen Staates“ zurück.
       
       17 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Patrick Guyton
       
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