URI: 
       # taz.de -- Frankreich will Attentäter Abdeslam: Er packt bereitwillig aus
       
       > Paris erhofft sich von der Überstellung des Attentäters Salah Abdeslam
       > weitere Aufschlüsse über die Hintermänner der Anschläge vom November.
       
   IMG Bild: Dieses Polizeifoto zeigt die Festnahme von Salah Abdeslam in Molenbeck
       
       Paris taz | Frankreich hat gegen den mutmaßlichen Terroristen Salah
       Abdeslam einen europäischen Haftbefehl erlassen. Auf diesem Weg soll dieser
       in Belgien aufgewachsene französische Staatsangehörige so schnell wie
       möglich aus de Haftanstalt in Brügge nach Paris kommen. Dort warten auf ihn
       die sechs Untersuchungsrichter, die mit der Aufklärung der Attentate vom
       13. November beauftragt sind.
       
       Abdeslam gilt als der letzte Überlebende der direkt an diesen Abschlägen in
       Paris und Saint-Denis Beteiligten. Nach einer viermonatigen Flucht war er
       am Freitag zusammen mit einem mutmaßlichen Komplizen im Brüsseler Quartier
       Molenbeek leicht verletzt festgenommen worden. Die belgische Polizei
       verdankte diese Festnahme einem Tipp aus dem Bekanntenkreis des Flüchtigen.
       
       Noch am Dienstag zuvor war es ihm ein letztes Mal gelungen, während einer
       Schießerei aus einem Versteck zu fliehen. Dabei war der Algerier Mohamed
       Belkaid erschossen worden. Dieser soll laut den Erkenntnissen der Ermittler
       aus Brüssel per Telefon die Pariser Attentate koordiniert haben.
       
       Mysteriös bleibt vorerst die wahre Identität des Dritten, der in Begleitung
       von Abdeslam festgenommen wurde. Er hatte falsche belgische Papiere auf den
       Namen Amine Choukri bei sich. Aufgrund seiner Fingerabdrücke weiß man, dass
       er aus der Türkei kommend im September auf der griechischen Insel Leros
       registriert und später in Ulm kontrolliert worden war.
       
       ## Hat Abdeslam Angst bekommen?
       
       Unklar ist weiterhin, was die exakten Aufgaben und Aufträge von Salah
       Abdeslam bei den Pariser Anschlägen waren. Laut dem Pariser Staatsanwalt
       François Molins habe er bei der Vorbereitung und Durchführung der Attentate
       „eine zentrale Rolle“ gespielt. Er hatte auf seinen Namen die Autos
       gemietet, Hotelunterkünfte für die Attentäter reserviert sowie chemische
       Bestandteile für die Sprengstoffherstellung besorgt.
       
       Er leugnet auch nicht, am Abend des 13. November in Paris gewesen zu sein.
       In einer ersten Befragung hat er am Samstag bereits gestanden, dass er sich
       (wie drei andere) in Saint-Denis bei Paris im Stade de France in die Luft
       sprengen sollte. In letzter Minute aber habe er es mit der Angst zu tun
       bekommen. Aus diesen sogleich veröffentlichten Aussagen kann man schließen,
       dass Abdeslam bereit ist auszupacken.
       
       Nicht nur die Justiz, sondern vor allem die Überlebenden und die Familien
       der 130 Todesopfer der Attentate erhoffen sich von seinen Aussagen
       Aufschluss über die Hintergründe dieser terroristischen Verbrechen. Für sie
       war es daher von größter Bedeutung, dass er im Unterschied zu anderen
       Beteiligten lebend gefasst wurde und dass ihm in Frankreich der Prozess
       gemacht werden kann. Ihre einzige Sorge ist es, dass ihm vor dem Beginn
       einer Gerichtsverhandlung etwas zustoßen könnte.
       
       ## Vorwürfe gegen Belgien
       
       In die Freude über die Festnahme von Abdeslam mischen sich in Frankreich
       auch polemische Vorwürfe. Der konservative Abgeordnete und ehemalige
       Pariser Antiterroruntersuchungsrichter Alain Marsaud ist nicht der Einzige,
       der kritisiert, es sei schon „grotesk“, dass die Flucht von Abdeslam, der
       sich stets in der Region Brüssel befand, wegen der „Naivität“ der
       belgischen Polizei so lange dauerte.
       
       Wegen der Radikalisierung der Jungen in Molenbeek sagt Marsaud sogar: „Die
       130 Toten von Paris verdanken wir den Belgiern wegen der Gruppe von
       Molenbeck.“ Der belgische Außenminister Didier Renderns entgegnete, es sei
       „erbärmlich, so die Sündenböcke bei den anderen zu suchen“.
       
       20 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Balmer
       
       ## TAGS
       
   DIR Brüssel
   DIR Paris
   DIR Terrorabwehr
   DIR Schwerpunkt Islamistischer Terror
   DIR Terrorismus
   DIR Brüssel
   DIR Schwerpunkt Islamistischer Terror
   DIR Germanwings
   DIR Schwerpunkt Frankreich
   DIR Ausnahmezustand
   DIR Notstand
   DIR Irak-Krieg
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kommentar Terror in Europa: Freiheit mit Freiheit verteidigen
       
       Gelassenheit im Angesicht des Terrors zu zeigen, ist schwer. Aber
       notwendig, wenn die Attentäter nicht ihr Ziel erreichen sollen.
       
   DIR Terroranschläge in Belgien: Brüssel im Schockzustand
       
       Bei Explosionen am Flughafen und in der Metro sterben Dutzende Menschen,
       Hunderte werden verletzt. Weitere Attentäter sind womöglich auf der Flucht.
       
   DIR Mutmaßlicher Täter der Pariser Anschläge: Abdeslam plante weiteres Attentat
       
       Der gefasste Islamist hatte sich ein Netzwerk mit Brüssel als Zentrum
       aufgebaut, so Belgiens Außenminister. Gegen eine Auslieferung nach
       Frankreich wehrt sich Abdeslam.
       
   DIR Untersuchung zum Germanwings-Absturz: 100-prozentige Sicherheit unmöglich
       
       Der Bericht verlangt eine bessere medizinische Kontrolle von Piloten.
       Angehörige und Kollegen sollen sich bei Problemen melden.
       
   DIR Kommentar Frankreichs Sicherheitspolitik: Antiterror ad absurdum
       
       Präsident Hollande will mit einem Entzug der Staatsbürgerschaft Terroristen
       bekämpfen. Das wird nicht funktionieren.
       
   DIR Ausnahmezustand in Frankreich: Grober Schandfleck in der Verfassung
       
       François Hollande hat sich links und rechts verpokert. Ein Entzug der
       Staatsbürgerschaft für Dschihadisten bringt nichts und sieht nicht gut aus.
       
   DIR Kommentar Notstand in Frankreich: Auf dem Weg zum Polizeistaat
       
       Die Klage französischer Menschenrechtler gegen die Notstandsgesetze ist
       gescheitert. Wahrscheinlich war sie sogar kontraproduktiv.
       
   DIR Treffen der Koalition in Paris: Schwieriger Anti-IS-Gipfel
       
       Die Konferenz beginnt mit dem Eingeständnis des Misserfolgs. Die
       Verantwortung dafür schieben sich die Teilnehmer gegenseitig zu.