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       # taz.de -- Warten auf dem Amt: Kundenzentren sind überfordert
       
       > Seit die Stadt Termine online vergibt, muss man auf dem Ortsamt noch
       > länger warten. Jetzt sollen es 20 neue Stellen richten –gebraucht würden
       > laut Ver.di 100.
       
   IMG Bild: Wer was vom Ortsamt will, braucht starke Nerven - und vor allem: Zeit
       
       Hamburg taz | „Behörden-Chaos“ und „Wartehorror“: Denkbar blumig umschrieb
       die Morgenpost unlängst, was sich dieser Tage auf den Hamburger Ortsämtern
       zuträgt: Menschen kommen in aller Hergottsfrühe aufs Amt, haben den Tag
       dort zuzubringen und am Abend vielleicht sogar erfolgreich erledigt, was
       sie vorhatten: den Reisepass beantragt, den Wohnsitz umgemeldet. Oder sie
       versuchen, wie es seit Längerem propagiert wird, online zu reservieren, um
       eben nicht auf dem Behördenflur warten zu müssen – aber da gibt es freie
       Termine zum Teil auch erst in mehreren Monaten.
       
       Nun hat der Senat angekündigt, 20 neue Stellen in den Kundenzentren
       einzurichten. „Das ändert nichts an den vorhandenen Problemen“, sagt
       Sieglinde Frieß von der Gewerkschaft Ver.di. „Insgesamt brauchen wir
       mindestens 100 neue Stellen.“ Laut einem Bericht des Landesrechnungshofes
       fielen seit 2012 in diesem Bereich der Verwaltung 44 Jobs weg, dazu kommen
       zehn krankheitsbedingt sowie 30 aus anderen Gründen vakante Posten. „Seit
       2012 ist über 30 Prozent des Personals abgebaut worden“, bilanziert
       Gewerkschafterin Frieß – die KollegInnen „sind am Ende“.
       
       Mit der 2014 eingeführten Online-Terminvergabe hatte der Senat das Ziel
       verfolgt, die „Spontan-KundInnen“ abzuschaffen. Dadurch, so die Hoffnung,
       würde ausreichend Zeit bleiben für notwendige Nacharbeiten, von denen die
       BesucherInnen nichts merken, etwa den Datenabgleich mit anderen
       Meldebehörden. Weniger „Spontan-KundInnen“ gleich weniger Arbeit gleich
       weniger Personal – so weit die Rechnung. „Das hat nicht funktioniert“, sagt
       Frieß.
       
       Stattdessen hätten die MitarbeiterInnen seither mit einer Doppelbelastung
       zu kämpfen: neben denen mit Termin kämen halt auch noch „spontane“
       BesucherInnen. „Manche KollegInnen sind so überlastet, dass sie
       langzeitkrank geworden sind“, sagt die Ver.di-Sekräterin. Ein Teufelskreis:
       „Viele KollegInnen kündigen deswegen“, so Frieß, „dann ist wieder eine
       Stelle vakant.“
       
       Die Finanzbehörde will nun Abhilfe schaffen: So seien die knapp 40
       unbesetzten Stellen „ausgeschrieben und auch finanziert“, sagt
       Behördensprecher Daniel Stricker. „Einzig die Leute dafür sind nicht da.“
       Man suche inzwischen sogar bundesweit – bisher vergeblich: „Wir würden
       sofort jemanden nehmen“, sagt etwa Bettina Maak, Sprecherin des Harburger
       Kundenzentrums, „aber da kommt keiner.“ Umso mehr hoffen die Ämter, dass
       auch die 20 zusätzlich in Aussicht gestellten Stellen bald besetzt werden
       können.
       
       Schuld am BewerberInnenmangel ist aus Ver.di-Sicht der Senat: Um Geld zu
       sparen, sei zu lange mit den Ausschreibungen gewartet worden. „Jetzt
       passiert es in einer schwierigen Zeit, in der Stellen überall gebraucht
       werden“, sagt Ver.di-Sekretärin Frieß. Aufgrund der aktuellen
       Flüchtlingssituation sei vor allem Personal in der sozialen Arbeit, im
       Baubereich oder im Schulwesen gefragt. „Der Senat muss eine Offensive
       starten und die Stellen attraktiver gestalten.“
       
       Dafür müsse er aber investieren: Damit die MitarbeiterInnen in den
       Kundenzentren ihre Arbeit wieder halbwegs meistern könnten, müsse der
       Personalstand von 2012 hergestellt werden. „Darüber hinaus brauchen wir
       trotzdem die 20 geplanten Stellen für die zusätzlichen Aufgaben“, sagt
       Fries.
       
       Die Stadt müsse weg „von der absoluten Abbau- und Sparpolitik, die sie seit
       der Schuldenbremse betreibt“. Die sei stets Argument für den Abbau des
       öffentlichen Dienstes. „Geld für Olympia oder G-20-Gipfel scheint die
       Politik zu haben – wir sind offenbar nicht so wichtig.“
       
       20 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Gröhn
       
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