URI: 
       # taz.de -- Merkels EU-Pakt mit der Türkei: Die Kritik ist parteiübergreifend
       
       > Die CSU fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, mehr zu reden. Kritik
       > kommt vor allem aus der Linken und von den Grünen.
       
   IMG Bild: Noch ist nicht klar, wie es in Griechenland tatsächlich weitergeht
       
       Berlin taz | Als Angela Merkel vergangen Freitag vor die Presse trat, hatte
       sie eine Botschaft: Dass sie erleichtert sei, mit allen 28
       EU-Mitgliedsstaaten eine Lösung gefunden zu haben, „im Geiste einer breiten
       und wirklich wichtigen Partnerschaft und auch in dem Geist, Lasten
       miteinander zu teilen“. Nur war sie dafür über eine andere Partnerin
       hinweggegangen – über die CSU. Die hat den Deal mit der Türkei kritisiert.
       
       Die CSU ist gegen einen EU-Beitritt der Türkei. Zwar hatte die Kanzlerin
       vergangene Woche im Bundestag darauf hingewiesen, dass der noch nicht auf
       der Tagesordnung stehe. Doch [1][das Abkommen von Freitag] vereinbart
       ausdrücklich, die Verhandlungen fortzuführen.
       
       Auch unmittelbar soll die Türkei profitieren: indem ihre Staatsbürger kein
       Visum mehr benötigen, um nach Europa zu reisen. Erfüllt die Türkei bis zum
       Sommer eine Reihe von Bedingungen, tritt die Regelung in Kraft – so hatten
       es nicht nur die EU-Mitglieder im vergangenem Jahr beschlossen.
       
       Auch die Koalitionsspitzen haben dazu ein Papier unterzeichnet. Davon will
       die CSU inzwischen nichts mehr wissen: Sie wolle Visa-Freiheit maximal für
       „bestimmte Personengruppen“ mittragen, hatte die CSU-Landesgruppenchefin
       Gerda Hasselfeldt gesagt, etwa für Geschäftsreisende.
       
       Doch Merkel ignorierte diese Einschränkung, als sie nach Brüssel fuhr. Und
       so steht nun fest: Ende April will die EU abschließend prüfen, ob die
       Türkei alle Bedingungen zur Visa-Freiheit erfüllt. Die CSU müsste also
       sauer sein. Müsste.
       
       Bislang hören sich die Kommentare führender CSU-Politiker so an: „Es ist
       gut und notwendig, dass Europa zusammensteht und mit einer Stimme spricht.
       Das ist ein Erfolg der Kanzlerin“, sagte Hasselfeldt der Passauer Neuen
       Presse. Einen „Schritt nach vorne“, nennt Stephan Mayer, innenpolitischer
       Sprecher der Unionsfraktion, das Abkommen. Sogar CSU-Chef Horst Seehofer
       sagt in der Bild am Sonntag fast schon mild über das Abkommen: Man müsse
       „in den nächsten Wochen sehr genau darauf schauen, was daraus wird“.
       
       Eigentlich aber ist die CSU nicht zufrieden. Deshalb fordert Seehofer auch,
       den Bundestag in die Entscheidungen über die EU-Flüchtlingspolitik
       einzubeziehen. „Wir sind der Meinung, dass der Bundestag bei dem Thema
       bislang zu kurz gekommen ist“, heißt es erläuternd aus Parteikreisen. Auch
       von einem „Schattendasein“ ist die Rede.
       
       Doch Abkommen, wie das mit der Türkei, sind nicht von der Zustimmung des
       Parlaments abhängig. Deshalb will die CSU nicht nur mehr reden, sondern
       fordert Merkel und die CDU auf, ein „Signal“ zu senden: dass „die
       bedingungslose Willkommenskultur in Deutschland beendet“ sei. Was das nach
       Asylpaketen, Grenzkontrollen und dem Türkei-Deal noch sein soll, erläutert
       niemand aus der Partei.
       
       ## Die Kritik der Opposition
       
       Die Linkspartei bezweifelt derweil, ähnlich wie
       Menschenrechtsorganisationen und UN-Vertreter, dass der Deal mit
       internationalem und europäischem Recht vereinbar ist. „Die Bundesregierung
       sollte die Anschuldigungen durch ein unabhängiges Gutachten prüfen lassen,
       wenn sie es ernst mit der Menschenrechtskonvention und europäischen
       Grundrechten meint“, sagte Fraktionsvize Jan Korte.
       
       Er nennt drei Gründe für seine Zweifel: Die Türkei habe die Genfer
       Flüchtlingskonvention nicht vollständig akzeptiert, lasse den Konflikt mit
       den Kurden eskalieren und schiebe Flüchtlinge manchmal sogar nach Syrien
       ab.
       
       Die Grünen teilen diese Kritik. Manche in der Partei fordern zudem eine
       Lösung für diejenigen Flüchtlinge, die bereits in Griechenland festsitzen
       und deshalb vom Abkommen nicht direkt berücksichtigt werden. Die
       Europa-Abgeordnete Ska Keller sagte während eines Besuches in Idomeni,
       angesichts der „untragbaren Situation“ dort sollten „die EU-Staaten ihre
       Grenzen öffnen und diese Menschen reinlassen“.
       
       21 Mar 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /EU-Tuerkei-Abkommen-beschlossen/!5285531
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Schulze
   DIR Christina Schmidt
       
       ## TAGS
       
   DIR Griechenland
   DIR Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan 
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Europäische Union
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Idomeni
   DIR Horst Seehofer
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan 
   DIR Österreich
   DIR Schwerpunkt AfD
   DIR Flüchtlinge
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kommentar Kanzlerkandidat Seehofer: Die Horst-Frage
       
       Horst Seehofer denkt über die Kanzlerkandidatur nach. Damit würde die
       Flüchtlingsfrage vielfältig diskutiert. Darum geht es dem CSU-Politiker
       aber nicht.
       
   DIR Gerüchte über Grenzöffnung in Idomeni: Auf Hoffnung folgt Enttäuschung
       
       Als Gerüchte umgehen, die Grenze zu Mazedonien würde geöffnet, machen sich
       viele Flüchtlinge auf den Weg. Doch der Weg bleibt versperrt.
       
   DIR Parteien in Deutschland: Verstehen Sie die CSU?
       
       Die Grenzen sind dicht, Angela Merkel hat geliefert. Was kann die CSU jetzt
       noch fordern? Tja. Eine Kurzanalyse zur aktuellen Lage.
       
   DIR Kommentar Merkels Flüchtlingspolitik: Fassade vor einer Ruine
       
       Die Kanzlerin setzt auf Abschreckung. Ihre Wende hat sie ziemlich lautlos
       vollzogen. Für die Machtpolitikerin war es eine Meisterleistung.
       
   DIR EU-Flüchtlingspakt mit der Türkei: Fehlstart mit Obergrenze
       
       Der umstrittene Flüchtlingspakt ist in Kraft. Und nun? Hier ein paar Fragen
       und Antworten zum Deal mit der Türkei.
       
   DIR Kolumne Knapp überm Boulevard: Der Oberumfaller
       
       Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann hat sich nicht nur von Merkel
       losgesagt. Auch der Willkommenskultur fällt er in den Rücken.
       
   DIR AfD-Sympathisanten auf Facebook: „Da ist ganz viel Hass“
       
       Zwischen Heimatliebe und Hetze: Die Bloggerin Jasmin Schreiber war sieben
       Tage lang mit einem Fakeprofil in rechten Facebook-Gruppen unterwegs.
       
   DIR Flüchtlingsabkommen mit der Türkei: Der Deal steht – viele Fragen offen
       
       Seit Sonntag ist das Abkommen der EU mit der Türkei in Kraft. Doch viele
       Details sind ungeklärt. Die Grünen wollen unterdessen die
       Idomeni-Flüchtlinge aufnehmen.