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       # taz.de -- Museen geht der Nachwuchs aus: Die Angst vor der Kunst
       
       > In Bremer Museen kamen zuletzt viel weniger BesucherInnen als noch vor
       > ein paar Jahren. Die CDU fordert deshalb nun freien Eintritt für alle
       > SchülerInnen.
       
   IMG Bild: Ob ins Dom-Museum mehr Besucher kämen, wenn auch der Eintritt zum Bleikeller frei wäre?
       
       BREMEN taz | Einen deutlichen Besucherrückgang vermelden die Bremer Museen
       für das vergangene Jahr. Und zwar nicht bloß im Vergleich zu 2014, sondern
       auch in der langjährigen Entwicklung.
       
       2015 wurden insgesamt 387.376 [1][Museumsbesuche in Bremen] gezählt.
       Vergleicht man die Zahlen seit 2005, so waren es nur einmal weniger, in der
       Regel aber deutlich mehr: 2014 kamen über 450.000, 2012 über 530.000, und
       2008 sogar mehr als 630.000 Menschen. Im Durchschnitt der vergangenen zehn
       Jahre zählten die Bremer Museen – Science-Center nicht eingerechnet – fast
       490.000 Besuche im Jahr. In Bremerhavens Museen kamen 2015 zwar fast 30.000
       Gäste mehr als im Jahr zuvor. Doch auch dort sind die Zahlen seit 2005
       tendenziell rückläufig.
       
       Bremens Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz guckt daher lieber auf den
       bundesweiten Trend. „Das große Interesse an den Museen sei in Deutschland
       ungebrochen“, habe das Institut für Museumsforschung in einer neuen Studie
       geschrieben, teilte sie gestern mit. Und verweist auf die „starke
       Konkurrenz aus dem Edutainment-Bereich“ – also auf Universum, Klima- und
       Auswandererhaus. Darüber hinaus erklärt ihre Behörde das sinkende Interesse
       an Bremer Museen mit einer eintrittsfreien Sonderschau, die das Schulmuseum
       2014 in der Unteren Rathaushalle zeigte. Oder mit der Kunsthalle, die
       vergangenes Jahr rund 35.000 Leute weniger anzog als 2014. Nun hat das Haus
       wie das Übersee-Museum nur noch knapp sechsstellige Besucherzahlen. Beide
       Museen gehören aber „zu den am besten besuchten“ in ganz Deutschland, so
       das Kulturressort.
       
       Die Statistik werde, gerade bei den Kunstmuseen, durch die besonders
       erfolgreiche Sonderausstellungen „verzerrt“, sagt Arie Hartog, Direktor des
       Gerhard Marcks-Hauses. Eine Impressionisten-Schau zeigt das besonders klar:
       Zu Van Gogh kamen 2002/03 über 320.000 Menschen in die Kunsthalle, es war
       die meistbesuchte Ausstellung in einem Kunstmuseum in den deutschsprachigen
       Ländern. Und über 80 Prozent der BesucherInnen damals kamen nicht aus
       Bremen. Immerhin: Im Herbst steht mit Max Liebermann wieder ein
       Impressionist im Programm der Kunsthalle.
       
       Neben mehr Öffentlichkeitsarbeit führen vor allem Sonderausstellungen zu
       mehr Museumsbesuchen, sagt das Kulturressort mit Blick auf die Studie.
       Deswegen jetzt in erster Linie auf große Namen zu setzen, „könnte aber ein
       Holzweg sein“, entgegnet Hartog – er wirbt für eine „beständige
       Kärrnerarbeit“ in den Museen.
       
       Aus Hartogs Sicht gibt es vor allem zwei Probleme in den Museen. Zum einen
       verändere sich der klassische bürgerliche Kulturkonsum, so Hartog: Wer
       früher vier bis sechs Mal im Jahr ins Museum ging, komme heute nur noch
       zwei bis drei Mal. Zum anderen täten sich die Museen unheimlich schwer,
       neue BesucherInnen anzusprechen, sagt Hartog. Potenziale sieht er vor allem
       bei den über 40-Jährigen, die neugierig, aber „nicht durch Geburt und
       Erziehung museumsaffin“ sind, so Hartog – und vielleicht noch „Angst“ haben
       vor dem Museum, gerade, wenn es um Kunst geht.
       
       CDU-Kulturpolitiker Claas Rohmeyer sieht „eine ganz einfache Lösung“ für
       das Problem: Er fordert freien Eintritt in alle Museen für alle
       SchülerInnen. Das bringe mehr BesucherInnen, aber nicht weniger Einnahmen.
       Die rot-grüne Koalition habe das aber schon 2010 abgelehnt. „Ich glaube
       nicht, dass das die Lösung ist“, entgegnet Hartog, obwohl sein Haus genau
       damit experimentiert und viele SchülerInnen zählt. Dennoch ist er dafür:
       „In einer zivilisierten Welt müssen Kinder und Jugendliche umsonst ins
       Museum können“, sagt Hartog. Dennoch warnt er davor, vor allem „junge und
       hippe“ Leute ansprechen zu wollen.
       
       Ähnlich wie viele Kultureinrichtungen fordert auch Rohmeyer mehr Werbung
       für die Museen ein: „Es fehlt in Bremen an einer Marketingstrategie.“
       Während in Bremen für Hamburg oder Hannover geworben werde, höre das
       Marketing für Bremen schon in Verden und Delmenhorst auf. „Das ist fatal“,
       so der CDU-Politiker. Hartog fordert vor allem mehr „geballtes Marketing“
       und Werbung „für das breite Angebot“ in Bremen. Die örtliche
       Tourismusförderung setze zu sehr auf einzelne Highlights – „und zu wenig
       auf Kultur“. Zwar wurden jüngst wieder neue Rekorde bei den Übernachtungen
       vermeldet. Doch zwei von drei Gästen sind Geschäftsreisende.
       
       21 Mar 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.senatspressestelle.bremen.de/sixcms/media.php/13/20160321_Tabelle_Besucherzahlen_2015.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Zier
       
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