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       # taz.de -- Debatte Equal Pay Day: 79 Tage mehr arbeiten
       
       > Ohne Gesetz gibt es für Frauen nicht gleiches Geld für gleiche Arbeit.
       > Sagen LobbyistInnen. Aber das Kanzleramt blockiert die Initiativen.
       
   IMG Bild: Ruhig mal nach oben gucken. Transparenz bei den Gehältern führt nicht zu Neid, sondern zur Selbstermächtigung
       
       Gefühlt seit einigen Wochen gibt es nahezu täglich eine Meldung, eine neue
       Studie, ein Statement zum Gender Pay Gap, der Lohnlücke zwischen Frauen und
       Männern von derzeit rund 21 Prozent. Das Frauenministerium äußert sich,
       Wirtschaftsinstitute, Frauen-, Berufs-, Familienverbände, Parteien.
       
       Das hat natürlich mit dem Equal Pay Day zu tun, der an diesem Samstag auf
       die Lohnungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern aufmerksam macht. 79
       Tage müssen Frauen statistisch betrachtet über das Jahr hinaus länger
       arbeiten, um dasselbe Geld verdient zu haben wie Männer. Früher waren es
       noch mehr.
       
       Vernachlässigt man Faktoren wie Teilzeitjobs, Kinder- und Pflegeauszeiten,
       die vor allem von Frauen übernehmen, sowie den geringeren Anteil von Frauen
       in Führungspositionen, bleibt immer noch eine Schlechterbezahlung von 7
       Prozent.
       
       Geht nicht. Findet die Opposition und findet die SPD. Die drei Parteien
       fordern mindestens so lange, wie es den Equal Pay Day gibt, ein Gesetz, das
       Frauen und Männern den gleichen Lohn zusichert. Genau das haben Union und
       SPD im Koalitionsvertrag vereinbart: „Gleicher Lohn für gleiche oder
       gleichwertige Arbeit“.
       
       ## Der Entwurf liegt im Kanzleramt
       
       Einen solchen Gesetzentwurf hat das SPD-geführte Frauenministerium
       erarbeitet. Aber was ist damit? Es stünde der Koalition gut zu Gesicht, ein
       weiteres gleichstellungspolitisches Vorhaben voranzutreiben – nach
       Frauenquote und Mindestlohn.
       
       Die Bevölkerung würde das begrüßen. Mit dem sperrigen Begriff des Equal Pay
       Day kann die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger jedenfalls etwas anfangen,
       weiß der Soziologe Carsten Wippermann. Die Menschen wollen die
       Gerechtigkeit in der Lohntüte, sagt er.
       
       Doch der Gesetzentwurf für ein sogenanntes Entgeltgleichheitsgesetz schmort
       derzeit im Kanzleramt. Und das vermutlich noch eine ganze Weile. Denn die
       Union ist nicht erpicht darauf, noch ein von der SPD vorangetriebenes
       Gesetz zu verabschieden. Ohnehin halten es CDU und CSU eher mit der
       Wirtschaft. Die wehrt sich massiv gegen eine Regulierung der Gehälter. Die
       sei sowieso unnötig, weil die Lohnlücke nur 2 Prozent betrage. Zumindest,
       wenn sie der Deutsche Industrie- und Handelskammertag berechnet. Die SPD
       weiß, wie schwer es dieses Gesetz haben wird. Da wirkt es ein wenig wie
       Selbstbetrug, wenn SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann während der
       Frauentagsfeier seiner Partei im Bundestag verkündet: „Gleicher Lohn für
       gleiche Arbeit – ich glaube, das kriegen wir hin.“
       
       Um dieses Gesetz werden Union und SPD heftig ringen. Es wird um
       weitreichende Kompromisse gehen und um die Frage, wie stark man der
       Wirtschaft entgegenkommen muss. „Ich warne davor, dass dabei Murks
       rauskommt“, sagt die Juristin, SPD-Frau und Lobbyistin für
       Gehältergerechtigkeit Heide Pfarr. Sie fürchtet, dass der „Murks“, wenn er
       erst einmal Gesetz ist, für die nächsten zehn Jahre eine Lohngerechtigkeit
       unmöglich mache. „Dann lieber gar kein Gesetz“, fordert sie.
       
       ## Was verdienen die Kollegen?
       
       Was aber dann? Transparenz bei den Gehältern. Fordert Henrike von Platen,
       die Chefin von Business and Professional Women. Dem Netzwerk für
       Unternehmerinnen und berufstätige Frauen ist der Equal Pay Day zu
       verdanken. Die meisten Firmen glauben, sagt die Unternehmensberaterin von
       Platen, dass es bei ihnen lohngerecht zugehe. Aber das stimme häufig nicht,
       weil kaum jemand von seinen Kollegen weiß, was die verdienen. Offenheit
       beim Einkommen sei eines der letzten Tabus.
       
       Das ist in Skandinavien anders. In Norwegen beispielsweise kann jede und
       jeder erfahren, wie viel Steuern die Nachbarn, der Chef und die Verkäuferin
       vom Laden an der Ecke zahlen. Das finden die Leute gut. Diese Transparenz
       führt mittlerweile aber zu einem anderen Effekt. Nein, nicht zu Neid,
       sondern zur Selbstermächtigung: Ich verdiene mehr als du, also bin ich
       besser als du.
       
       19 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schmollack
       
       ## TAGS
       
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