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       # taz.de -- Flüchtlinge und Tauschbörsen: Urheberrechtsverletzung als Falle
       
       > Tauschbörsennutzung kann teuer werden. Abgemahnt wird der
       > Anschlussinhaber, obwohl er nicht immer selbst Filme runtergeladen hat.
       
   IMG Bild: Benutzt ein Dritter das Wlan einer Privatperson widerrechtlich, wird der Anschlussinhaber abgemahnt
       
       Berlin taz | Viele Menschen geraten ins Visier von Abmahnanwälten, weil sie
       illegal Filme im Internet teilen und damit das Urheberrecht verletzen. Auch
       in Deutschland lebende Flüchtlinge sind davon betroffen. Der Unterschied:
       Die meisten Deutschen müssten mit dem staatlichen Urheberrecht vertraut
       sein. Das gilt für Zugewanderte und Flüchtlinge nicht unbedingt.
       
       Im Nahen Osten zum Beispiel gibt es kaum Filmproduktionen. Kaum jemand geht
       ins Kino oder kauft eine DVD. Die Filme werden aus dem Internet geladen,
       ohne dass der Urheber etwas vom Kuchen abbekommt. Viele Flüchtlinge kennen
       also das Urheberrecht aus ihren Herkunftsländern nicht. Dann tappen sie in
       die Falle. Besonders Helfer, die Flüchtlingen ihre Internetzugangsdaten zur
       Verfügung stellen, sollten vorsichtig sein. Denn der Anschlussinhaber wird
       immer abgemahnt, wenn über seinen Wlan-Anschluss eine Tauschbörse benutzt
       wird.
       
       Besonders gefährlich sind Bittorrent-Programme wie Popcorn-Time, warnt
       Rechtsanwalt Christian Solmecke. „Popcorn-Time wirkt nur auf den ersten
       Blick wie ein kostenloses Streaming-Portal.“ Bei Tauschbörsen, also
       Internetplattformen, die Inhalte zum Tausch anbieten, ziehe der Nutzer
       urheberrechtswidrige Dateien auf seinen Rechner, sagt Solmecke. Außerdem
       stelle der Nutzer so seinen Computer für die Verbreitung von illegalen
       Raubkopie-Dateien zur Verfügung.
       
       Einen solchen Fall schildert auch Marc Hügel, Partner der Abmahnkanzlei
       Waldorf Frommer. Die Kanzlei verschickt deutschlandweit Abmahnungen gegen
       illegales Filesharing – also Tauschbörsennutzung.
       
       ## Zugangsdaten zur Verfügung gestellt
       
       Hügel schildert den Fall eines Helfers in einer Flüchtlingsunterkunft, den
       er aus dem Freundeskreis kennt. Dieser habe in einer Unterkunft neben
       seiner Wohnung gearbeitet und einem der Flüchtlinge seine
       Internetzugangsdaten zur Verfügung gestellt, damit dieser mit seiner
       Familie in der Heimat in Kontakt bleiben konnte. Als er eine Abmahnung
       erhielt, habe der Helfer nachgefragt. Bei einem Gespräch mit dem Flüchtling
       habe der Abgemahnte herausgefunden, dass der Flüchtling eine
       Tauschbörsensoftware genutzt hat.
       
       Die Kanzlei Wilde Beuger Solmecke vertritt 10.000 Betroffene, die von
       Waldorf Frommer abgemahnt wurden. „In der Regel wissen die abmahnenden
       Kanzleien nicht, wen sie abmahnen. So kommt es auch zu Abmahnungen von
       Flüchtlingen. Die Zahlen sind jedoch überschaubar“, sagt Christian
       Solmecke.
       
       ## Alle Kreise der Bevölkerung betroffen
       
       Auch Marc Hügel betont, dass die Zahl der betroffenen Flüchtlinge gering
       ist: „Wir reden von einer sehr kleinen Gruppe.“ Das gelte insbesondere im
       Hinblick auf die – nach wie vor – erhebliche Gesamtzahl von
       Rechtsverletzungen im Internet. Alle Kreise der Bevölkerung seien
       betroffen.
       
       Anwalt Christian Solmecke sagt, dass er hunderte Fälle habe, bei denen
       Ausländer in Deutschland abgemahnt worden sein: „Oft handelt es sich dabei
       um stationierte amerikanische Streitkräfte oder Austauschschüler, die sich
       nur für kurze Zeit in Deutschland befinden.“ Auch Europäer aus anderen
       Ländern seien darunter.
       
       Rechtsanwalt Alexander Wagner von der Kanzlei Hild und Kollegen sieht das
       so: „Es müsste jedem klar sein, dass man aktuelle Kinofilme nicht
       runterladen darf“. Ihm liegen bisher keine Fälle vor, bei denen Helfer von
       Flüchtlingen abgemahnt wurden. Dennoch rät er dazu Tauschbörsenprogramme
       einfach nicht zu benutzen.
       
       ## Zahlen der abgemahnten Flüchtlinge sind überschaubar
       
       Über die IP-Adresse, die Spuren auf der jeweiligen Webseite hinterlässt,
       können Name und Adresse des Nutzers ermittelt werden. Christian Solmecke
       rät den gesamten Internetverkehr eines Wlan-Netzes über einen VPN-Anbieter
       (Virtual Private Network) zu leiten, da solche keine IP-Adressen
       protokollieren und es praktisch zu keiner Haftung des Wlan Netzbetreibers
       kommen könne.
       
       Privatpersonen, die Flüchtlingen ihren Wlan-Schlüssel zur Verfügung
       stellen, rät Solmecke Formulare aus dem Internet zu nutzen, mit denen man
       die Mitbenutzer eines Internetanschlusses entsprechend aufklären kann.
       Diese sollten nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Englisch formuliert
       sein. Er empfiehlt diese Aufklärung auch unterschreiben zu lassen – für
       einen späteren Beweis.
       
       10 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ann-Christin Korsing
       
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