URI: 
       # taz.de -- Das bleibt von der Woche I: Eine verspätete Panikattacke
       
       > Manche bekommen im Umgang mit Terror eine Art Routine. Für mich war
       > Brüssel ein Anschlag zu viel.
       
   IMG Bild: Beileidsbekundungen vor der belgischen Botschaft
       
       Den Leitartiklern dieser Woche und ihren klugen Gedanken zum islamistischen
       Terror in Brüssel ist natürlich unbedingt beizupflichten. Vollständiger
       Schutz vor Anschlägen? Nicht möglich, selbstverständlich. Mehr Polizei,
       mehr Überwachung? Es wäre beängstigend, und es wäre wohl auch sinnlos. Und
       in Berlin obendrein nur eine hypothetische Diskussion: Schließlich hat
       Innensenator Frank Henkel (CDU) nach dem Terror von Paris im November
       selbst gesagt, der gewöhnliche Berliner Polizist sei dem gewöhnlichen
       islamistischen Terroristen im Zweifel „heillos unterlegen“. Also
       Gelassenheit zeigen, jetzt erst recht? Ja, klar, jetzt erst recht.
       
       Nein, ich jetzt nicht mehr. Auch wenn ich wünschte, mein Bauch würde
       weiterhin auf meinen Kopf hören: Ich habe zwei Zugtickets, Berlin–Brüssel,
       für mich und meinen Sohn gekauft, aber ich werde sie wohl nicht einlösen.
       Geplant war eine Fahrt zu Pfingsten, mit dem Schlafwagen, schön altmodisch
       und ein bisschen abenteuerlich.
       
       Nun bin ich ein bisschen spät dran mit meiner Panikattacke. Nach den
       Terroranschlägen in Paris am 13. November 2015, als 132 Menschen starben,
       wurde diese Mehr-Polizei-und-bloß-kein-Bauchgefühl-Diskussion schließlich
       auch schon geführt. Dann legte sich das kollektive Bauchgrummeln wieder –
       und ich hatte ohnehin keins gehabt. Die Debatte, ob man jetzt noch ins Café
       gehen kann, weil ja unter anderem dort die Attentate von Paris stattfanden?
       Ja, konnte ich nachvollziehen, schien mich aber nicht zu betreffen. Und
       mehr Polizei gab es in Berlin hernach höchstens bei des Innensenator
       liebsten Feinden, den Linksautonomen in der Rigaer Straße.
       
       Und jetzt, nach Brüssel, 34 Tote, über 200 Verletzte? Natürlich sagen die
       Politiker das Gleiche wie im November, und die Leitartikler schreiben das
       Gleiche. Es gibt wieder Blumen vor einer Botschaft, wenn auch deutlich
       weniger als noch im November. Ein Mann sagt in der Mittagspause zu seiner
       Kollegin, man könne ja gar nicht dankbar genug dafür, sein dass man morgens
       heil ins Büro komme. Sie nickt, dann ist das Thema, die Anschläge sind
       gerade 24 Stunden her, abgehakt und die beiden widmen sich ihrem
       Mittagessen. Auch wenn es zynisch klingt: Wir bekommen offenbar langsam
       Routine mit dem Terror.
       
       Kann sich Entsetzen abnutzen? Vielleicht. Für mich war es ein Anschlag zu
       viel. Jetzt muss ich allerdings nur noch meinem Sohn die Sache mit der
       Angst und dem Bauchgefühl erklären. Ein gutes Vorbild wäre ich dann nicht.
       
       26 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Klöpper
       
       ## TAGS
       
   DIR Brüssel
   DIR Terrorismus
   DIR Innere Sicherheit
   DIR Europa
   DIR Schwerpunkt Frankreich
   DIR Schwerpunkt Islamistischer Terror
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Sicherheitslage in Berlin: „Anschläge sind nicht auszuschließen“
       
       Berlin schwebt laut dem Innensenator weiterhin in einer „anhaltend hohen
       abstrakten Gefahr“.
       
   DIR Terroranschläge in Brüssel: Das Grauen der Gewöhnung
       
       Allmählich zieht der Terror ein in das alltägliche Leben Europas. Kann man
       sich daran gewöhnen? Und ist das vielleicht sogar gut?
       
   DIR Razzien in Belgien und Frankreich: Neue Festnahmen, neue Terrorpläne
       
       Brüssel kommt nicht zur Ruhe. Dort und in Frankreich führten Polizisten
       mehrere Verdächtige ab. Paris spricht von Terrorplänen im
       „fortgeschrittenen Stadium“.
       
   DIR Nach den Anschlägen von Paris: Die Angst vor dem Draußen
       
       Lieber nicht am Hauptbahnhof umsteigen? Die Furcht vor einem Anschlag
       begleitete mich jahrelang. Jetzt, nach dem Blutbad in Paris, ist sie weg.