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       # taz.de -- Vorlage an den Europäischen Gerichtshof​: Christen bevorzugt
       
       > Eine konfessionslose Sozialpädagogin klagt gegen das Diakonische Werk.
       > Der Prozess könnte das kirchliche Arbeitsrecht verändern.
       
   IMG Bild: Wegen fehlender Vereinsmitgliedschaft hätte er wohl auch keinen Job bei Kirchens gefunden
       
       FREIBURG taz | Dürfen kirchliche Arbeitgeber selbst entscheiden, bei
       welchen Tätigkeiten ein Mitarbeiter Mitglied einer Kirche sein muss? Oder
       verstößt so viel kirchliche Freiheit gegen das Antidiskriminierungsrecht
       der EU? Das muss nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden,
       nachdem ihm das Bundesarbeitsgericht (BAG) vor Kurzem einen entsprechenden
       Fall vorgelegt hat.
       
       Konkret ging es um eine befristete Stelle beim Diakonischen Werk der
       evangelischen Kirche. Gesucht wurde 2012 ein Referent, der einen Bericht
       zum Rassismus in Deutschland und zur Umsetzung der
       UN-Antirassismuskonvention schreibt. Es sollte ein Rechtswissenschaftler
       mit Erfahrung in der Antirassismus-Arbeit sein.
       
       „Die Mitgliedschaft in einer evangelischen Kirche oder in einer der ACK
       angehörigen Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag
       setzen wir voraus“, hieß es in der Ausschreibung. „Bitte geben Sie Ihre
       Konfession im Lebenslauf an.“ ACK steht für die Arbeitsgemeinschaft
       christlicher Kirchen, der auch die katholische Kirche angehört.
       
       Es gab 38 Bewerbungen, von denen 10 in einem internen Prozess als geeignet
       eingestuft wurden. Vier Personen wurden eingeladen. Eingestellt wurde ein
       evangelischer Politikwissenschaftler, der schon viel zum Thema publiziert
       hatte.
       
       Beworben hatte sich aber auch eine konfessionslose Sozialpädagogin, die nun
       gegen das Diakonische Werk auf Schadenersatz klagte. Sie sei nur deshalb
       nicht zu Bewerbungsgesprächen eingeladen worden, weil sie keiner Kirche
       angehöre. Dass die ausgeschriebene Tätigkeit nicht christlich geprägt sei,
       sehe man schon daran, dass der Antirassismusbericht aus Mitteln der
       Klassenlotterie finanziert wird.
       
       ## Gleichstellungsgesetz ist kirchenfreundlich
       
       Das Diakonische Werk bestritt eine Diskriminierung der Frau. Mit ihrem
       Fachhochschulstudium sei sie für die Stelle gar nicht geeignet gewesen. Das
       BAG hielt jedoch das Qualifikationsargument für vorgeschoben, denn die
       Bewerbung der Sozialpädagogin war zunächst als geeignet eingestuft worden.
       Deshalb spreche viel dafür, dass sie wegen ihrer Konfessionslosigkeit nicht
       zum Bewerbungsgespräch eingeladen wurde. Es kommt nun für den Schadenersatz
       darauf an, ob das Diakonische Werk für diese Stelle die Mitgliedschaft in
       einer christlichen Kirche verlangen durfte.
       
       Das Allgemeine Gleichstellungsgesetz ist eher kirchenfreundlich. Es stellt
       auf das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften ab. Letztlich
       dürfen kirchliche Arbeitgeber also selbst entscheiden, welche Anforderungen
       an Mitarbeiter sie stellen. Dies entspricht auch der kirchenfreundlichen
       Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
       
       Das BAG will vom EuGH nun wissen, ob die deutsche Rechtslage mit den
       EU-Vorgaben in der Antidiskriminierungsrichtlinie von 2000 vereinbar ist.
       Dort sind zwar auch Ausnahmen für kirchliche Arbeitgeber vorgesehen – aber
       nur, soweit die Anforderung an die Stelle aus dem „Ethos“ des Arbeitgebers
       folgt. Sollte der EuGH das weite Selbstbestimmungsrecht kirchlicher
       Arbeitgeber einschränken, hätte das auch Auswirkungen auf viele andere eher
       verkündigungsferne Tätigkeiten, etwa in kirchlichen Sozialeinrichtungen.
       
       Die Kirchen haben aber gute Chancen, den Rechtsstreit zu gewinnen. Denn
       2009 wurde in die EU-Verträge folgender Passus eingefügt: „Die Union achtet
       den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in
       den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und
       beeinträchtigt ihn nicht.“ (Artikel 17 AEUV). Damit könnte die
       kirchenfreundliche deutsche Rechtslage gegen EU-Einwirkungen wirksam
       geschützt sein.
       
       Der EuGH wird sich erst in einigen Monaten mit dem Fall befassen.
       
       29 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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