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       # taz.de -- Kolumne Dumme weiße Männer: Wo bleibt dein Aufschrei, Jens Spahn?
       
       > Nach Köln haben mächtige weiße Männer ziemlich viel Quatsch zu Gesetzen
       > gemacht. Mehr Sicherheit für Frauen war aber nicht dabei.
       
   IMG Bild: Jens Spahn schreit für Frauenrechte.
       
       Weiße Männer sind ja bekannt dafür, die Welt mit großer Konsequenz,
       Vernunft und Systematik zum Besseren zu verändern. Und da ist es auch keine
       Überraschung, dass Jens Spahn, Präsidiumsmitglied und
       Bundestagsabgeordneter der CDU, ein Prachtexemplar dieser Spezies ist. „Wo
       ist eigentlich der Aufschrei, wenn es wirklich einen braucht?“,
       [1][twitterte er] am frühen Morgen des 5. Januar. „Bei Dirndlwitzen
       lautstarke Helden überall, jetzt aber betretenes Schweigen.“
       
       Es ging um die vielen sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht in Köln.
       Am Tag davor hatte die Kölner Polizei auf einer Pressemitteilung das große
       Ausmaß der Taten bekannt gegeben. Seitdem gibt Spahn keine Ruhe.
       Unermüdlich kämpfte er darum, dass das deutsche Sexualstrafrecht umfassend
       modernisiert wird und Deutschland seiner Pflicht nachkommt, [2][die
       Istanbul-Konvention] in Gesetze einzuarbeiten und damit „Nein heißt nein“
       zum Standard zu machen.
       
       Es kann auch sein, dass Spahn nur einmal einen wohlfeilen Tweet absetzte,
       sich an der ausgelösten Empörung ergötzte und sich ansonsten nicht weiter
       für Dirndlwitze oder sexualisierte Gewalt interessierte. Das
       Sexualstrafrecht wird von Justizminister Heiko Maas, einem weißen Mann aus
       der SPD, jedenfalls [3][nur mäßig reformiert].
       
       Mehr Engagement entwickelte Spahn dagegen in der Frage, wie man mit
       ausländischen Straftätern umgehen sollte: nordafrikanische Länder müssten
       [4][zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden], forderte er, und
       [5][erzählte in Talkshows viel darüber], wie das Frauenbild wohl bei
       Einwanderern so sei.
       
       ## Nordafrikanisch oder irgendwie
       
       Diese Priorisierung hatte er nicht alleine: Schon wenige Tage nach dem 5.
       Januar, als noch gar nicht viel über die Tatverdächtigen von Köln bekannt
       war, außer, dass sie „arabisch oder nordafrikanisch“ aussahen, forderte
       Spahns Parteikollege und Innenminister [6][Thomas de Maiziére erleichterte
       Abschiebungen für Asylsuchende] und [7][die CSU, dass Algerien und Marokko]
       sichere Herkunftsländer werden sollten. Klar, wer „nordafrikanisch“
       aussieht, ist Flüchtling, zumindest aber Ausländer.
       
       Wie sinnvoll es dabei ist, von einer groben „Aussehensbeschreibung“ auf die
       tatsächliche Herkunft zu schließen, zeigte sich dann in den Tagen danach,
       als [8][rechtsextreme weiße Männer in Köln] Jagd auf zwei Pakistaner und
       einen Syrer machten. Und das BKA selbst bewies die Professionalität
       deutscher Polizisten, als es [9][einen Bericht aus zwölf Bundesländern
       erstellte], in dem Baden-Württemberg von Tätern mit „arabischem
       Erscheinungsbild“, Hamburg von „südländischer Erscheinung“,
       Nordrhein-Westfalen von „augenscheinlichem Migrationshintergrund“ und
       Hessen sogar von „nordafrikanischem / arabischem / südeuropäischem /
       osteuropäischem Aussehen“ sprach. Die Männer sahen halt irgendwie aus.
       
       Inzwischen [10][wissen wir mehr]: Nämlich, dass zwei Drittel der
       Tatverdächtigen aus der Kölner Silvesternacht tatsächlich aus Marokko und
       Algerien kommen und zahlreiche tatsächlich auch Flüchtlinge sind. Recht
       haben sie gehabt, könnte man nun über die weißen Männer sagen, die in den
       vergangenen Wochen tatsächlich das Ausweisungsrecht verschärften und die
       Erklärung von nordafrikanischen Ländern als „sicher“ auf den Weg brachten,
       bei der Reform des Sexualstrafrechtes aber nicht viel Energie aufmustern
       konnten.
       
       Doch nur, weil [11][jeder zweite Taschendieb an Bahnhöfen Nordafrikaner
       ist], ist nicht jeder zweite Nordafrikaner ein Taschendieb. Den empirischen
       Beweis für diesen einfachen Fehlschluss erbrachte dann die Düsseldorfer
       Polizei Mitte Januar. Sie [12][kontrollierte bei einer Razzia gegen
       Kleinkriminalität] 300 Menschen, die grob aussahen, als wären sie
       Nordafrikaner, nahm eine Person wegen mutmaßlicher Hehlerei fest, zeigte
       eine Person wegen Diebstahl an und eine weitere wegen Betruges. 300
       Nordafrikaner kontrolliert, drei mutmaßliche Kleinkriminelle gefunden.
       Trefferquote: 1%.
       
       ## Deutschenbonus beim Grabschen
       
       Nun könnte man, wie es vernünftige weiße Männer ja immer tun, sich fragen:
       Ist es sinnvoll, das Leben vieler echter Flüchtlinge aus Marokko und
       Algerien schwerer zu machen, nur weil darunter auch jene sind, die
       Straftaten begehen? Ist es sinnvoll die Strafen für Asylsuchende und
       Ausländer zu verschärfen, wenn doch die Taten nach wie vor kaum bestraft
       werden? Denn: [13][Selbst im neuen Sexualstrafrecht bleibt Grabschen immer
       noch bedingt bestraft und es bleibt die Wertung als Vergewaltigung abhängig
       davon, ob das Opfer sich körperlich gewehrt hat].
       
       Und nun könnte man sich als vernünftiger weißer Mann, wie es Jens Spahn
       einer ist, darüber gehörig aufregen. Oder man kann dazu betreten schweigen.
       Oder, wie es unser Jens tut, bei der Einführung eines Deutschenbonus für
       Grabschen mitmachen.
       
       25 Mar 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://twitter.com/jensspahn/status/684278226131234816
   DIR [2] http://en.wikipedia.org/wiki/Convention_on_preventing_and_combating_violence_against_women_and_domestic_violence
   DIR [3] /Kommentar-Sexualstrafrecht/!5287499/
   DIR [4] http://www.deutschlandfunk.de/debatte-ueber-fluechtlingspolitik-cdu-praesidiumsmitglied.694.de.html
   DIR [5] http://www.ardmediathek.de/tv/Anne-Will/Misstrauen-%C3%84ngste-Verbote-Kippt-die-/Das-Erste/Video?bcastId=328454&documentId=33104700
   DIR [6] http://www.n-tv.de/politik/De-Maiziere-will-Abschiebungen-erleichtern-article16708816.html
   DIR [7] http://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/CSU-will-Marokko-und-Algerien-als-sichere-Herkunftsstaaten-einstufen-id36549057.html
   DIR [8] /!5268015/
   DIR [9] http://www.sueddeutsche.de/panorama/polizei-bka-bericht-silvester-uebergriffe-in-zwoelf-bundeslaendern-1.2831374
   DIR [10] /!5278109/
   DIR [11] http://www.focus.de/politik/deutschland/bundespolizei-veroeffentlicht-zahlen-statistik-zeigt-fast-jeder-zweite-taschendieb-an-bahnhoefen-stammt-aus-nordafrika_id_5197723.html
   DIR [12] http://www.presseportal.de/blaulicht/pm/13248/3226980
   DIR [13] /!5279048/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lalon Sander
       
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