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       # taz.de -- Kommentar Terror und Schuldzuweisung: Brüssels fataler Fehler
       
       > Die Attentate zeugen von Sicherheitsproblemen. Doch die beschränken sich
       > nicht auf Molenbeek in Brüssel – morgen kann es auch Deutschland treffen.
       
   IMG Bild: Trauer und Angst: Wie kann der Staat seine Bevölkerung schützen?
       
       Sind die unfähigen belgischen Behörden schuld? Ist ganz Belgien ein
       einziges riesiges Terrornest? Nach den Attacken auf Brüssel werden solche
       Fragen selbst in Qualitätsmedien gestellt – und bejaht. Dabei greifen
       Vorurteile und Klischees auch in diesem Fall zu kurz.
       
       Richtig ist, dass die Attentate von Paris in Brüssel geplant und
       vorbereitet wurden. Richtig ist wohl auch, dass die Angriffe auf Paris und
       Brüssel eng zusammenhängen. Wenn sich bestätigen sollte, dass [1][die
       gesuchten Bakraoui-Brüder] zu den Selbstmordattentätern von Brüssel zählen,
       gäbe es sogar eine direkte Verbindung.
       
       Weniger direkt ist allerdings die Verbindung in das Brüsseler
       Problemviertel Molenbeek, das weltweit als „Hort des Terrors“ abgestempelt
       wird. Zwar wurde dort Salah Abdeslam gefasst, einer der Hauptverdächtigen
       von Paris. Aber die Spur der mutmasslichen Terroristen findet sich auch in
       zwei weiteren Brüsseler Stadtteilen.
       
       Forest und Schaerbeek, die betroffenen Gemeinden, sind nicht so leicht als
       marokkanische Ghettos abzutun wie Molenbeek. In diesen Stadtteilen gibt es
       auch gutbürgerliche Viertel, in denen „die Europäer“ wohnen: So nennt man
       in Brüssel all jene, die mit den EU-Institutionen zu tun haben.
       
       ## Köln lässt grüßen
       
       Offenbar weist das Netzwerk der Dschihadisten weit über die
       Einwandererviertel hinaus. Möglicherweise hat es sich schon im
       kleinbürgerlichen Milieu breit gemacht. Das macht es den Ermittlern
       natürlich schwer: Wenn der Terror nur im marokkanischen Milieu zu verorten
       wäre, wäre er auch viel leichter zu fassen. Köln lässt grüssen…
       
       Dennoch haben die belgischen Behörden unverzeihliche Fehler gemacht.
       Monatelang ist es ihnen nicht gelungen, Abdeslam zu stellen, obwohl der
       nach den Mordanschlägen von Paris nach Brüssel geflüchtet war – und dort
       wohl auch bis zuletzt blieb. Als sie ihn am Freitag letzter Woche endlich
       festnahmen, haben sie nachlässig reagiert.
       
       Denn nach dem spektakulären Fahndungserfolg hätten die Sicherheitsmaßnahmen
       in ganz Brüssel sofort erhöht werden müssen. Schließlich drohte Abdeslam
       kaum verhohlen mit neuen Attacken – und zwar in der EU-Kapitale. Dass die
       Abflughalle am Flughafen Zaventem für jedermann zugänglich war, ohne
       Kontrolle, ist fatal.
       
       ## Auch deutsche Behörden tappen im Dunkeln
       
       Doch machen wir uns nichts vor: An deutschen Flughäfen sieht es mit der
       Sicherheit auch nicht viel besser aus. Und die deutschen Behörden tappen
       genauso im Dunkeln wie die belgischen. Sie wissen offenbar nicht einmal,
       was Abdeslam in Ulm getrieben hat, wo er Anfang Oktober, vor den Pariser
       Attentaten, gesichtet wurde.
       
       Dabei war er mit einem Komplizen unterwegs, der nun ebenfalls in Brüssel
       gestellt wurde. Diese Terrorzelle hat Deutschland offenbar als sicheren
       „Ruheraum“ genutzt – Belgien wurde nicht oder nicht rechtzeitig gewarnt.
       Doch was wäre gewesen, wenn Abdeslam und Seinesgleichen den Flughafen in
       Köln oder Düsseldorf attackiert hätten?
       
       Dies ist keine rhetorische Frage. Auch wenn Bundesinnenminister Thomas De
       Maizière das Gegenteil behauptet: Die Spuren der Attentate von Paris und
       Brüssel führen auch nach Deutschland. Auch in Deutschland gibt es genügend
       Problemviertel und Billighotels, in denen die Terroristen sich unerkannt
       verstecken können.
       
       Statt mit dem Finger auf Belgien zu zeigen, sollten die deutschen Behörden
       lieber die eigenen Leute – zu denen nun leider auch einige falsche
       Flüchtlinge gehören – im Auge behalten. Und sie sollten ihre Erkenntnisse,
       so sie denn welche haben, mit Belgien und Frankreich austauschen.
       Vorurteile helfen nicht weiter.
       
       [2][Lesen Sie hier mehr zur Diskussion in Deutschland.]
       
       23 Mar 2016
       
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