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       # taz.de -- Kommentar Flüchtlinge in Deutschland: Die Mühen der Ebene
       
       > Die Zahlen sinken? Viele Flüchtlinge sind aber schon hier und dürfen
       > bleiben. Der Kampf um Partizipation beginnt erst. Das Engagement
       > bröckelt.
       
   IMG Bild: Ankunft, Unterkunft und Registrierung waren nur der Anfang: Flüchtlinge am Berliner Lageso
       
       Die dramatischen Bilder von Menschen, die in langen Warteschlangen im Regen
       ausharren oder auf dem Boden schlafen, wurden ausgelagert, nach
       Griechenland und in die Türkei. Hier in Deutschland sind die sogenannten
       Erstunterkünfte in Kasernen, Bürogebäuden oder Turnhallen nur noch zur
       Hälfte belegt. Der zuweilen surreal anmutende Andrang vom vergangenen
       Winter hat nachgelassen – bedeutet dies, dass jetzt für jene, die in
       überschaubarer Zahl hier sind, alles gut wird? Nicht automatisch: In der
       Flüchtlingspolitik im Inland beginnen jetzt die Mühen der Ebene. 
       
       Das erfordert neue Qualitäten. Als Freiwillige kann man sich nicht mehr im
       Nimbus der Katastrophenhelferin sonnen. Wie man aus den Initiativen hört,
       bröckelt das Engagement bereits etwas. Jetzt, wo die zweite, die ruhigere
       Stufe im Ringen um Partizipation der Flüchtlinge (um das missbrauchte und
       abgenutzte Wort der „Integration“ zu vermeiden) gezündet wird, braucht man
       vor allem – Geduld.
       
       63 Prozent der Asylanträge wurden positiv beschieden, die Schutzquoten sind
       also hoch. Viele werden bleiben. Und bald wird sich zeigen, dass die
       Flüchtlinge Deutschland verändern. Dann etwa, wenn viele von ihnen wegen
       des Wohnungsmangels noch lange in Gemeinschaftsunterkünften wohnen bleiben
       oder in einfache Neubauten ziehen, die an die Sozialbauten der 50er Jahre
       erinnern. Auch neue Berufswege könnten sich etablieren.
       
       In der Bundesagentur für Arbeit überlegt man inzwischen, wie man den hoch
       motivierten Leuten erst mal Jobs gibt und die Sprachkurse und die
       Weiterbildung parallel zur Arbeit laufen lässt, anstatt die Menschen in das
       hiesige Ausbildungssystem zu pressen. Denn eine dreijährige Lehre setzt
       eine ein- bis zweijährige Phase des Sprachenlernens voraus und dann
       scheitern viele immer noch an den Fachbüchern in der theorielastigen
       Berufsschule.
       
       Die anerkannten Flüchtlinge werden also bald eine unter mehreren Gruppen
       sein, über deren Besonderheiten man sich in der Sozialpolitik Gedanken
       machen muss – gar nicht so anders, wie man auch über KleinrentnerInnen,
       alteingesessene Langzeitarbeitslose und Pflegebedürftige redet. Nach dem
       letzten Winter kann diese Debatte auch ein bisschen Normalität bedeuten.
       Ein bisschen Normalität – genau das wünschen sich auch die Geflüchteten in
       Deutschland selbst.
       
       12 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Dribbusch
       
       ## TAGS
       
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