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       # taz.de -- Ausstellung über Berlins historische Mitte: Welches alte Berlin darf's denn sein?
       
       > Die Berliner Mitte um das Rote Rathaus wurde häufig umgebaut. Sie soll
       > auch künftig ein offener und kreativer Ort bleiben, erzählt eine Schau im
       > Abgeordnetenhaus.
       
   IMG Bild: Alt, neu, wiederaufgebaut, restauriert: So sieht's aus rund ums Rote Rathaus
       
       Das Verhältnis zwischen Regula Lüscher und den Anhängern der alten Berliner
       Mitte war nie frei von Konflikten. Von Beginn an hatte die
       Senatsbaudirektorin – im Unterschied zu ihrem Vorgänger Hans Stimmann –
       dagegen plädiert, das freie Areal vor dem Roten Rathaus historisch zu
       rekonstruieren. Ein Alt-Berlin auf dem sogenannten „Rathausforum“ zwischen
       Spree und Fernsehturm, das passt nicht, so Lüscher.
       
       Nun dürfte sich die Beziehung weiter verschlechtern. Bei der Eröffnung der
       Ausstellung „Mitte. Stadtgeschichte und Stadtdebatte“ am Mittwochabend im
       Abgeordnetenhaus, sprach sich Lüscher erneut für einen zeitgemäßen Umgang
       mit dem „weltoffenen und kreativen Ort“ in der Nachbarschaft zum
       Humboldtforum aus. Die Berliner Mitte sollte, entsprechend dem Wunsch
       vieler Bürger, ein „offener, öffentlicher, vielfältiger und
       nicht-kommerzieller Ort für alle bleiben“, der zudem der Erholung dienen
       müsse und nicht vollständig bebaut, sondern „stetig weiterentwickelt“
       werden sollte.
       
       Lüscher selbst hatte auch einen Vorschlag parat: Das Rathausforum eigne
       sich als „Ort für die Kultur“ in hervorragender Weise, sagte sie. Deshalb
       böte sich für den Senat die Chance, „dort die Möglichkeiten als Standort
       für einen Neubau der Zentral- und Landesbibliothek“ im Mitte noch einmal
       auszuloten. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller hatte 2015 die
       geplante Abteilung der ZLB im Humboldtforum gekippt. Derzeit ist offen, wo
       der Neubau realisiert wird.
       
       Der Vorstoß der Senatsbaudirektorin war übrigens gut getimed: Denn die
       ebenfalls ausgestellten zehn „Bürgerleitlinien für die Berliner Mitte“,
       welche den Verlauf und die Ergebnisse des Dialogprozesses „Alte Mitte –
       Neue Liebe“ mit Bürgerbeteiligungen, über 10.000 Anregungen von
       BürgerInnen, mehreren Planungsrunden und Kolloquien der Senatsbauverwaltung
       seit Mitte 2015 dokumentieren, fordern ein Gleiches.
       
       Sehr deutlich untermauern die „Leitlinien“, dass die Mitte ein öffentlicher
       Raum bleiben, zum Teil eine „grüne Oase“, zur Spree hin gestaltet und
       verkehrsberuhigt werden müsse. Eine komplette, ja historisierende Bebauung
       wurde abgelehnt, die Sichtachsen zwischen Fernsehturm und Spree sollten
       erhalten bleiben. Ralf Wieland, Präsident des Abgeordnetenhauses,
       bezeichnete die Ergebnisse „als wichtige und gute Grundlage für die weitere
       Entwicklung des Ortes“. Die Bürgerleitlinien würden nun dem Parlament zur
       Beratung vorgelegt.
       
       Dass die Anhänger der historischen Bebauung des Rathausforums einer fixen
       Idee anhängen, machen in der Ausstellung auch Foto- und Texttafeln
       deutlich, welche die Geschichte der Berliner Mitte in neun Schritten seit
       dem 13. Jahrhundert nacherzählen. Dieser Teil der Schau lässt zwar etwas zu
       wünschen übrig, weil die Tafeln äußerst didaktisch daherkommen. Was jedoch
       klar wird, ist, dass in der Berliner Mitte mit dem Beginn des 19.
       Jahrhunderts kein Stein mehr auf dem anderen blieb. Welche historische
       Bebauung wollen die Alt-Berlin-Fans darum eigentlich?
       
       Bereits Mitte den 19. Jahrhunderts war es mit weiten Bereichen der Altstadt
       vorbei. Bis 1910 fand eine Modernisierung des Stadtkerns rings um das Rote
       Rathaus statt. Die Börse, der Dom, das Stadthaus entstanden. Dieser Prozess
       wiederholte sich nach dem Ersten Weltkrieg, zur NS-Zeit und mit dem
       sozialistischen Städtebau. „Wir haben dort viel zu tun“, mahnte Lüscher. Es
       sieht danach aus, dass das Richtige getan wird.
       
       Bis 8. Mai in der Wandelhalle des Abgeordnetenhauses, Mo bis Fr 9 bis 18
       Uhr
       
       15 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rolf Lautenschläger
       
       ## TAGS
       
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