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       # taz.de -- Gesetz zu medizinischem Cannabis: Hanf auf Kassenkosten
       
       > Der Bundesgesundheitsminister will Kranken Medizinalhanf künftig auf
       > Rezept verordnen. Den Eigenanbau lehnt er ab.
       
   IMG Bild: Gesundheitsminister Gröhe will den Einsatz von Cannabis erleichtern
       
       Berlin taz | Nach dem Willen des Bundesgesundheitsministers soll über die
       Frage, ob Schwerkranke ein Recht auf Cannabis haben, künftig nicht mehr die
       Justiz in jahrelangen Gerichtsverfahren entscheiden. Sondern derjenige, der
       hierfür im Rechtsstaat zuständig ist: das Parlament. Hermann Gröhe (CDU)
       hat deswegen zu Jahresanfang einen Gesetzentwurf zur Verordnung von
       Cannabis zu medizinischen Zwecken vorgelegt, über den der Bundestag noch in
       diesem Jahr abstimmen soll.
       
       Seit Mittwoch ist ist eine Neuregelung dringlicher geworden, da dass
       Bundesverwaltungsgericht einem [1][Patienten mit Multipler Sklerose das
       Recht zugestanden hat, selber Hanf anzubauen]. In der Begründung verwies
       das Gericht auf den unhaltbaren Zustand, dass Kassen sich häufig weigern
       würden, eine Cannabis-Therapie zu finanzieren.
       
       Nach Gröhes Gesetzentwurf soll schwerkranken Patienten der Zugang zu
       Cannabis spürbar erleichtert werden. Künftig sollen die behandelnden Ärzte
       allein darüber entscheiden dürfen, ob ihre chronisch kranken Patienten mit
       Medizinalhanf, Cannabisextrakt, getrockneten Blüten oder anderen
       Arzneimitteln auf Cannabisbasis behandelt werden sollen. Die derzeit noch
       notwendige Ausnahmeerlaubnis durch die Bundesopiumstelle in Bonn soll durch
       eine entsprechende Änderung im Betäubungsmittelrecht entfallen. Und:
       Erstmals sollen die Patienten das Cannabis auf Kassenrezept erhalten.
       
       Dies gilt als der eigentliche Durchbruch des geplanten Gesetzes. Derzeit
       nämlich erstatten die Krankenversicherungen die Kosten für das Cannabis nur
       in Einzelfällen. Viele Patienten können den Medizinalhanf - die Kosten
       liegen häufig bei mehreren hundert Euro pro Monat - aber nicht aus eigener
       Tasche bezahlen und weichen deshalb notgedrungen auf den Eigenanbau aus.
       Bei diesem aber kann die Dosis stark schwanken; es gibt zudem keinerlei
       Qualitätssicherung.
       
       ## Mehrere hundert Patienten
       
       Auch dies soll sich ändern: Eine staatliche Cannabis-Agentur, angesiedelt
       beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn,
       soll künftig den Hanfanbau, den Handel und die Einfuhr überwachen. Der
       „nicht zielführende Eigenanbau von Cannabis zur Selbsttherapie“ soll auf
       diese Weise vermieden werden, heißt es im Gesetzentwurf.
       
       Profitieren von dem Gesetz würden Schätzungen zufolge mehrere hundert
       Patienten in Deutschland. Nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel
       und Medizinprodukte verfügen derzeit 581 Patienten über eine
       Ausnahmeerlaubnis. Von insgesamt 1050 Anträgen seien 635 bewilligt worden,
       einige Kranke hätten die Genehmigung aber wieder zurück gegeben oder seien
       verstorben.
       
       Weil es zwar viele positive wissenschaftliche Hinweise, aber noch zu wenige
       aussagekräftige Studien zum medizinischen Nutzen von Cannabis für
       Schwerkranke gibt, will der Bundesgesundheitsminister zudem alle Patienten,
       die künftig Cannabis auf Kassenkosten bekommen, zur Teilnahme an einer
       Begleitforschung verpflichten. Dies wird von der Opposition im Bundestag
       als übergriffige Einmischung in die Selbstbestimmung des Patienten
       kritisiert.
       
       ## Ärzte dagegen
       
       Die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Bundesärztekammer und die
       Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft wiederum lehnen das Gesetz
       ab, weil es aus ihrer Sicht für den medizinischen Einsatz von
       Medizinal-Cannabisblüten „an ausreichender wissenschaftlicher Evidenz“
       fehlt.
       
       Deutschlands oberster Cannabis-Wächter, der Leiter der Bundesopiumstelle,
       Peter Cremer-Schaeffer, stellte unterdessen unlängst in einem [2][Gespräch
       mit der taz] klar: „Cannabis kann helfen bei Übelkeit und Erbrechen unter
       Chemotherapie, bei schmerzhafter Spastik bei Multipler Sklerose, bei
       Appetitlosigkeit bei einer bestehenden Aidserkrankung und gelegentlich auch
       bei chronischen Schmerzen.“
       
       Es werde, sagte Cremer-Schaeffer, aber auch weiterhin viele Patienten
       geben, denen es nicht hilft: „Wir dürfen Cannabis nicht zu einer Substanz
       erklären, die Probleme in der Medizin lösen hilft, die wir bisher nicht
       lösen konnten. Cannabis ist eine zusätzliche Option für einige Patienten,
       um ihre Symptome zu lindern.“
       
       7 Apr 2016
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Heike Haarhoff
       
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