# taz.de -- Betrugsverdacht: Herr Öztürk schweigt
> Unter Betrugsverdacht stehende Bremerhavener Vereine haben auch mehrere
> Zusatzleistungen und Fördergelder kassiert.
IMG Bild: Wenn man zu nah ran kommt, stinkts: Bremerhaven von oben (Ausschnitt)
BREMEN taz | Vier Förderer nennt der Bremerhavener Verein „Agentur für
Beschäftigung und Integration“ (ABI), dem gemeinsam mit der „Gesellschaft
für Familien und Gender Mainstreaming“ massiver Sozialbetrug vorgeworfen
wird, auf seiner mittlerweile gelöschten Homepage. Einer davon, der
Paritätische Wohlfahrtsverband, sagte in der vergangenen Woche, er habe den
Verein bereits im letzten Jahr ausgeschlossen. Und nun teilt ein weiterer
angeblicher Förderer, nämlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
(BAMF) mit: Diesen Verein haben wir nie unterstützt.
„Wir haben“, sagt das BAMF auf Nachfrage der taz, „unser Justiziariat
bezüglich der Verlinkung auf unsere Homepage informiert.“ Ebenfalls
verlinkt ist, wenn auch nicht unter den angeblichen Geldgebern, die
Existenzgründungsinitiative „B.E.G.I.N.“ – und auch die sagt, sie habe
nichts mit dem Verein zu tun gehabt.
Wie viel und ob der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Patrick Öztürk, ehemaliges
Vorstandsmitglied der unter Betrugsverdacht stehenden Vereine und Sohn des
Vereinsvorsitzenden, von den Machenschaften wusste, ist noch immer nicht
geklärt: Stumm verfolgte er die gestrige Landtagsdebatte zum Thema und die
Aufforderung von CDU und FDP, eine Erklärung abzugeben. Zuvor hatte er der
SPD-Fraktion mitgeteilt, er wisse nichts von möglichen kriminellen
Machenschaften, in die sein Vater verstrickt sein solle. In der
Bürgerschaft schwieg er.
Die Bremerhavener Vereine sollen rund 1.000 Scheinarbeitsverhältnisse mit
bulgarischen und griechischen ArbeitnehmerInnen geschlossen haben, um
unrechtmäßige Ansprüche auf Sozialleistungen zu generieren – und sie haben
den Wahlkampf von Patrick Öztürk unterstützt.
Der musste für seine eigenwillige WählerInnen-Akquise bereits eine Rüge
durch den SPD-Unterbezirk Bremerhaven einstecken: Öztürk habe, sagte die
SPD-Abgeordnete Sybille Böschen gegenüber der taz, gegen ein parteiinternes
Fairness-Abkommen verstoßen, indem er nicht nur Wahlkampf-Material aus der
SPD-Zentrale, sondern auch – trotz der Aufforderung, dies zu unterlassen –
eigene Flyer verteilt habe, in Form eines Stimmzettels, auf dem nur sein
Name stand. Produziert hatten ihn die Vereine seines Vaters.
Die haben fleißig öffentliche Gelder eingestrichen: Aus dem
Stadtteilentwicklungsprogramm „Wohnen in Nachbarschaften“ (WIN) gab es, so
teilt ein Sprecher des Bremerhavener Magistrats mit, „3.000 Euro für das
Projekt „Ausstattung Büro“, 3.600 Euro für das Projekt „Frühstückskaffee
und Treffpunkt für Frauen“ sowie 1.000 Euro für das Projekt
„Erziehungskompetenz für Alleinerziehende Männer“.
Seit 2013 seien außerdem durch das Sozialamt 23.396 Euro gezahlt worden für
Leistungen, die Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben ihrem
monatlichen Regelbedarf für Bildung und Teilhabe am sozialen und
kulturellen Leben in der Gemeinschaft bewilligt werden.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die LeistungsbezieherInnen von
ihrem Geld monatlich einen Teil an den Geschäftsführer des Vereins abgeben
mussten. 180 Verfahren sind inzwischen eingeleitet, 1.350 Fallakten werden
untersucht.
21 Apr 2016
## AUTOREN
DIR Simone Schnase
DIR Eiken Bruhn
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