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       # taz.de -- Die Wahrheit: Volle Kanne Mann
       
       > Neues vom deutschen Ober-Maskulinisten: Die Geschlechtererforschung geht
       > hardcore weiter.
       
   IMG Bild: So ein Mann, so ein Mann: Ob der noch alles kann?
       
       Die deutschen Maskulinisten sehen sich im Aufwind. Angesichts der in ihren
       Augen zunehmenden Bedrohung durch Feministinnen, Terroristen und
       Flüchtlinge stellen sie offensiv die Frage, wer uns denn heutzutage vor
       denen noch beschützen wolle: Frauenversteher, Weicheier oder Metrosexuelle?
       
       Per Videobotschaft mahnt jetzt der namhafte Leipziger Maskulinist Hagen
       Grell: „Die meisten deutschen Männer lieben die Frauen und wollen für sie
       sorgen. Doch durch diese schier unendliche Liebe haben sie sich zu
       Hauskätzchen umerziehen lassen.“
       
       Allerdings wirkt auch Grell selber eher putzig. Seiner Erscheinung nach
       würde man den vorgeblichen Supermaskulinisten als Erzieher in einem
       Waldorfkindergarten verorten. Wir aber möchten mit einem echten Mann über
       Männlichkeit sprechen. Nachdem wir den Rechner mit zahllosen Daten aus
       Muckibuden, Verkehrszentralregister und Datingportalen gefüttert haben,
       spuckt er uns schließlich Tom Steiner (43) aus: Das ist unser Mann!
       
       Als wir sein mit geschmackvollen Centrefolds tapeziertes Wohnzimmer
       betreten, verfolgt Steiner gerade die 14-Uhr-Nachrichten auf DMAX:
       Survival-Meldungen, Nachrichten aus der Welt der Waffentechnik und der
       Wetterbericht für Geländewagenfahrer. Zur Begrüßung schlägt uns der
       Alphamann mit dem auftätowierten Muskelshirt seine mächtige Pranke auf die
       Schulter: „Ein Bier?“
       
       ## Nur Fleisch
       
       Zögerliches Verhalten ist unmännlich. Ohne eine Antwort abzuwarten, schiebt
       er uns in die von ihm mit der Kinderschere in einem Stück aus einer
       tausendjährigen Eiche ausgeschnittenen Küche. An der Wand und in
       Messerblöcken stecken und hängen Messer, Sensen und Motorsägen. „In dieser
       Küche wird ausschließlich Fleisch zubereitet“, klärt der passionierte
       Heimwerker auf, „Schweine, Rinder, Krokodile. Alle selbst geangelt,
       erschossen und erwürgt. Mit Schwulenfraß wie Kartoffeln oder Hühnchen kommt
       mir hier keiner.“
       
       Beim Bier sind wir schnell bei Hagen Grells Sätzen angelangt. „Im Wortsinn
       hat er recht“, sagt Steiner. „Aber ein echter Mann trägt keine Brille. Er
       sieht mit den Fäusten, der Axt und dem Schwanz. Dieser Grell ist doch
       selber ein Hauskätzchen. Und …“– er beißt kurz den Kronkorken von der
       dritten Flasche – „… was macht man mit Hauskätzchen?“ – „Streicheln?“ –
       „Man zerschmettert ihnen den Schädel.“
       
       „Cristiano Ronaldo“, fährt Steiner fort, „würde sie vielleicht streicheln,
       Chris Martin von Coldplay und natürlich jede Frau. Frauen sind ja überhaupt
       ganz anders. Das wissen viele gar nicht, die sich nicht so auskennen. Und
       es kennt sich ja keiner mehr aus heutzutage. Dabei haben Frauen sogar eine
       andere Sprache.“ Steiner gerät ins Dozieren. „Wo der Mann zum Beispiel
       ‚Kreuzschlitzschraubenzieher‘ sagt, sagt die Frau ‚Kochlöffel‘. Und ganz
       wichtig: Wenn eine Frau ‚nein‘ sagt, meint sie immer ‚ja‘.“
       
       Zurzeit ist unser Spezialist jedoch „zufällig mal solo“. Die Gehirnwäsche
       durch den Feminismus mache es den Frauen schwer, sich klar zu werden, was
       sie eigentlich wollen: „Einen echten Mann, der sie beschützt – auch vor
       falschen Entscheidungen.“ Denn so einer ist er. Der ehemalige
       Sportholzfäller hat einen bewegten Werdegang. Früher arbeitete er als
       Pick-up-Artist – „ich konnte sieben Chicks und drei Bälle gleichzeitig in
       der Luft halten“ –, Rafting Coach, Söldner sowie Immobilienmakler. Nach
       einem kurzen Abstecher zum Männermagazin Incredible Nuts ist er heute
       Besitzer eines Abenteuerspielplatzes für Erwachsene.
       
       ## Zwei Giga-PS
       
       Dorthin fährt er uns nun in seinem drei Tonnen schweren Audi A18. „Mein
       kleines Spielzeug.“ Fast zärtlich streichelt er über das Lenkrad aus
       Kruppstahl, während er mit vierhundert Sachen durch die Vorstadt heizt.
       Stolz nennt er uns die technischen Daten des SUVs: Zwei Giga-PS, 25
       Bruttoregistertonnen Hubraum und in der Spitze ein Verbrauch von achtzig
       Litern „Hasseröder“, einem speziellen Benzin-Blut-Testosteron-Gemisch. Dazu
       Extras wie radioaktive Vollspermafelgen, Fahrradfahrerfänger und ein
       20-mm-Zwillingsgeschütz für Linksspurschleicher.
       
       Wir sind an Steiners Anlage angekommen. Die Spielgeräte sind klar auf eine
       maskulinistische Klientel zugeschnitten. Neben Zielscheiben mit den
       Gesichtern der bekanntesten Gender-Forscher gibt es verschiedene Parcours.
       Männer in Tarnkleidung robben vergnügt unter tief gespannten
       Stacheldrahtbahnen hindurch und vergewaltigen Zivilistinnnen aus Plastik in
       einer stilisierten Dorfkirche. Aber natürlich gibt es auch ganz klassisch
       Schaukel und Wippe für das besonders bei Maskulinisten sehr präsente Kind
       im Manne.
       
       Durch einen lauten Knall und befreites Gelächter werden wir schließlich auf
       eine Gruppe aufmerksam, die sich um ein paar blutige Körperteile herum
       versammelt. „Das Minenfeld ist sehr beliebt“, erklärt Steiner. „Das ist
       noch richtiger Männersport. Fußball ist doch für Pussies. Wie sich die
       Spieler da grundlos jaulend auf dem Rasen rumwälzen: ekelhaft!“
       
       25 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uli Hannemann
       
       ## TAGS
       
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