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       # taz.de -- Vorwahldebatte der US-Demokraten: Durchwachsenes Heimspiel für Clinton
       
       > Im Duell zwischen Bernie Sanders und der Favoritin können beide punkten.
       > Der eine mit seiner Integrität, die andere mit ihrer Erfahrung.
       
   IMG Bild: Schon zu Beginn der Debatte sind die KandidatInnen direkt im Gespräch
       
       New York taz | Eine klare Siegerin oder einen klaren Sieger gab es nicht:
       In den Talkrunden im Anschluss an die Fernsehdebatte zwischen Hillary
       Clinton und Bernie Sanders wurde beiden bescheinigt, verschiedentlich
       gepunktet, aber auch Fehler gemacht zu haben. Für Bernie Sanders ist das im
       Kampf um die Nominierung der demokratischen Partei als
       Präsidentschaftskandidat eine schlechte Nachricht. Im Hinblick auf die
       bevorstehenden Vorwahlen im Bundesstaat New York hätte er aus der
       TV-Diskussion vermutlich als eindeutiger Gewinner hervorgehen müssen, um
       den – allen Umfragen zufolge großen – Vorsprung seiner Rivalin Hillary
       Clinton noch aufholen zu können.
       
       Von Anfang an war deutlich, dass die Debatte in Brooklyn für Hillary
       Clinton ein Heimspiel war. Das Publikum war mehrheitlich auf ihrer Seite
       und jubelte jedes Mal, wenn die Kandidatin an ihre Zeit als Senatorin für
       New York erinnerte – und das tat sie oft. Ohnehin bestand die Strategie von
       Hillary Clinton erkennbar darin, ihre langjährige Berufserfahrung in
       unterschiedlichen politischen Posten und Ämtern zu betonen. „Ein Problem zu
       analysieren ist erheblich einfacher als es zu lösen“, sagte sie an die
       Adresse von Bernie Sanders.Und an anderer Stelle: „Eine Diagnose zu stellen
       ist leichter als konkret etwas zu tun.“
       
       Bei manchen Themen ging diese Rechnung auf, zum Beispiel bei der Diskussion
       über die Gefahren des Klimawandels. Bernie Sanders findet, dass die
       Beschlüsse der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 nicht weitreichend genug
       sind angesichts der bedrohlichen Lage. So richtig das sein mag – es ist
       weniger eindrucksvoll als die eigene Beteiligung am Aushandeln eines
       Kompromisses, die Clinton vorweisen kann.
       
       Ähnlich sah es beim Thema Israel aus. Sanders nannte das israelische
       Verhalten im Gaza-Krieg „unangemessen“ – übrigens eine ungewöhnlich scharfe
       Kritik am US-Verbündeten im Nahen Osten –, und er forderte, auch die
       Palästinenser müssten „mit Respekt und Würde“ behandelt werden. Clinton
       wies kühl darauf hin, dass sie gemeinsam mit anderen den Waffenstillstand
       zwischen Israel und der Hamas ausgehandelt habe. Das kam besser an.
       
       ## Das libysche Debakel
       
       Aber nicht immer lief es so glatt für die ehemalige US-Außenministerin.
       Bernie Sanders griff sie wegen der Politik in Libyen an, wo die
       US-Regierung zwar den Sturz des Diktators Ghaddafi betrieben habe, aber
       keinen Plan für die Zeit danach gehabt habe – eine Einschätzung, die
       Präsident Barack Obama teilt, der dies kürzlich als den schwersten
       außenpolitischen Fehler seiner Amtszeit bezeichnet hatte.
       
       Hier kam Hillary Clinton erkennbar ins Trudeln. Zunächst versuchte sie es
       mit der Behauptung, die USA hätten Großes bei der Demokratisierung des
       Landes geleistet, was angesichts der chaotischen Verhältnisse in Libyen
       eine bizarre Argumentation ist. Das schien ihr selbst aufzufallen, und sie
       verteilte dann die Schuld gleichmässig auf die Libyer, die keine fremden
       Truppen im Lande hätten akzeptieren wollen, und auf Präsident Obama, der
       schließlich die letzte Entscheidung über den politischen Kurs der Regierung
       gehabt habe. Wenig überzeugend.
       
       Und noch an einer anderen Stelle geriet sie in Bedrängnis, und das bei
       einem Thema von erheblicher innenpolitischer Brisanz: Bernie Sanders
       forderte sie erneut auf, eine Rede zu veröffentlichen, die sie gegen ein
       sechsstelliges Honorar vor Top-Managern der Investmentbank Goldman Sachs
       gehalten hat. Führende Medien wie die New York Times haben diese Forderung
       auch schon erhoben, aber: Sie will nicht. Und natürlich fragen sich nun
       alle, was sie denn wohl in dieser Rede gesagt oder gar versprochen hat, was
       ihr möglicherweise im Wahlkampf schaden könnte.
       
       Heikel ist die Angelegenheit auch deshalb, weil das Ehepaar Clinton seit
       Anfang 2014 insgesamt mehr als 25 Millionen Dollar für Reden vor
       Bankmanagern und Industriekapitänen verdient hat. Und Hillary sich auch
       nicht scheut, Großspenden für ihren Wahlkampf anzunehmen, deren genaue
       Herkunft nicht transparent ist.
       
       ## Gefährlicher Verdacht
       
       Bernie Sanders hingegen bestreitet den Wahlkampf ausschließlich mit
       Zuwendungen von Privatpersonen, und er hat, wie er sagt, „noch nie“ eine
       Rede hinter verschlossenen Türen an der Wall Street gehalten. Die Frage,
       die über allem schwebt: Ist jemand korrumpiert, der sich von Banken und der
       Großindustrie hat bezahlen lassen – und muss das Geld später in Form
       politischer Gefälligkeiten zurückgezahlt werden?
       
       Sanders lässt keinen Zweifel daran, dass er Clinton im Verdacht hat, sich
       in genau diese Form der Erpressbarkeit hineinmanövriert zu haben. Konkrete
       Beispiele kann er nicht nennen, die belegen würden, dass es einen
       Zusammenhang zwischen Honoraren oder Spenden und dem Abstimmungsverhalten
       seiner Rivalin gibt. Aber allein schon der Verdacht kann Hillary Clinton
       erheblich schaden, und das gilt umso mehr, als Bernie Sanders im Hinblick
       auf sein Engagement für die ärmeren Schichten der Bevölkerung und seinen
       Wunsch nach höherer Besteuerung der Reichen in dieser Hinsicht über jeden
       Zweifel erhaben ist.
       
       Größere Erfahrung versus höhere Integrität: So lässt sich die TV-Debatte
       zwischen Hillary Clinton und Bernie Sanders zusammenfassen. Die Teilnehmer
       der Talkshows haben ihr Urteil gesprochen. Jetzt sind die Meinungsforscher
       dran – und am Dienstag dann die demokratischen Wählerinnen und Wähler im
       Us-Bundesstaat New York.
       
       15 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bettina Gaus
       
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