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       # taz.de -- Pressefreiheit in Hongkong: Peking lässt grüßen
       
       > Nur die Zeitung „Ming Pao“ hat in Hongkong über die Steuersünder aus den
       > „Panama Papers“ berichtet. Nun muss der stellvertretende Chefredakteur
       > gehen.
       
   IMG Bild: Demo gegen die Entlassung von Keung Kwok-yue am 20. April
       
       Peking taz | Hongkong ist zwar chinesisch – und in China unterliegen die
       Medien einer strengen Zensur. Doch seit die der ehemalige britische
       Kronkolonie an die Volksrepublik übergeben wurde, gilt in Hongkong für 50
       Jahre noch das alte Rechtssystem – samt Meinungs- und Pressefreiheit. So
       zumindest lautet die bis heute offiziell gültige Abmachung. Doch seit
       einiger Zeit ist zu beobachten, dass die kommunistische Führung in Peking
       ihren Einfluss auch in der südchineschen Hafen- und Finanzmetropole spielen
       lässt. In diesen Tagen mehr denn je.
       
       Die bislang für ihre kritische Berichterstattung bekannte Hongkonger
       Zeitung Ming Pao hat Mitte vergangener Woche überraschend ihren
       langjährigen stellvertretenden Chefredakteur und renommierten Journalisten
       Keung Kwok-yue gekündigt. Offiziell heißt es, weil gespart werden müsse.
       Doch das halten die meisten Mitarbeiter der Zeitung für wenig glaubwürdig.
       
       Viel wahrscheinlicher ist, dass die Kündigung im Zusammenhang mit den
       Enthüllungen der „Panama Papers“ steht. Die Tageszeitung hatte am selben
       Tag auf ihrer Titelseite mit den Köpfen nahmhafter Hongkonger
       Geschäftsleute und Spitzenpolitiker aufgemacht und sie in Zusammenhang mit
       den jüngsten Enthüllungen im Zuge der Veröffentlichung der „Panama Papers“
       gestellt.
       
       Reporter der Zeitung hatten darin Daten unter anderem der Immobilientykoone
       Li Ka-shing, Lau Ming-wai und des ehemaligen Hongkonger Finanzministers
       ausgemacht. Auch der Hongkonger Filmstar Jackie Chan taucht in den „Panama
       Papers“ auf.
       
       ## Betriebsrat ist sauer
       
       Spontan versammelten sich am vergangenen Donnerstag Redakteure vor dem
       Haupteingang der Zeitung, um sich mit ihrem ehemaligen stellvertretenden
       Chef zu solidarisieren. „Wenn ein Journalist so moderat und professionell
       wie Keung nicht mehr toleriert wird – was sagt das über den Zustand von
       Hongkongs Pressefreiheit aus?“, heißt es in einer Stellungnahme der
       Mitarbeiter, den acht Journalistenverbände mitunterzeichnet haben. Auch der
       Betriebsrat der Ming Pao zeigte sich über die Entlassung „extrem
       unglücklich und sauer“.
       
       Chefredakteur Chong selbst ist im Haus höchst umstritten. Schon seine
       Ernennung zum Chefredakteur vor zwei Jahren hatte bei den Mitarbeitern die
       Befürchtung ausgelöst, dass er all zu Peking-freundlich ist und den Ruf der
       Ming Pao als eine der kritischsten Zeitung Hongkongs aufs Spiel setzen
       könnte.
       
       Bevor der 55-jährige gebürtige Malaie zum Chef der Redaktion gekürt wurde,
       hatte die Zeitung für ihre kritische Berichterstattung zahlreiche
       internationale Journalistenpreise gewonnen. Seit er die Leitung übernommen
       hat, ist es damit vorbei. Mit der Kündigung ihres stellvertretenden
       Chefredakteurs fühlen sich die Mitarbeiter einmal mehr bestätigt, dass die
       Peking-nahen Spitzenpolitiker und Geschäftsleute der Stadt oder sogar
       Peking selbst die Fäden ziehen.
       
       Die „Panama-Papers“ wurden in der Volksrepublik bislang kaum thematisiert.
       Dabei ist China das Land, das in den der Süddeutschen Zeitung zugespielten
       Daten am häufigsten erwähnt wird. Fast ein Drittel der Kunden der in Panama
       ansässigen Finanzkanzlei Mossack Fonseca stammt den Daten zufolge aus China
       oder Hongkong. Die Kanzlei hält insgesamt acht Büros in der Volksrepublik,
       so viele wie in keinem anderen Land.
       
       ## Viele Politiker involviert
       
       Das Tabu in China dürfte sich nicht zuletzt daraus erklären, dass nicht nur
       chinesische Geschäftsleute Briefkastenfirmen in Panama betreiben und auf
       diese Weise ihr Vermögen verschleiern, sondern auch Angehörige von
       chinesischen Spitzenpolitikern, darunter der Schwager von Staats- und
       Parteichef Xi Jinping, sowie die Tochter des von 1987 bis 1998 amtierenden
       Ministerpräsidenten Li Peng, der 1989 auch die Niederschlagung der
       Demokratieproteste auf dem Tiananmenplatz zu verantworten hat.
       
       Viele chinesische Journalisten wissen um die Brisanz der „Panama Papers“,
       dürfen aber nicht darüber berichten. Die Bevölkerung ist daher nur wenig
       informiert. Die Hongkonger Medien haben zwar über die „Panama Papers“
       berichtet. Das internationale Journalistenkonsortium, [1][das die Daten
       auswertete], hatte aber bewusst kein Medium aus der ehemaligen britischen
       Kronkolonie einbezogen. Man würde den Hongkonger Medien nicht mehr trauen,
       heißt es.
       
       Auch Reporter ohne Grenzen sieht seit einiger Zeit eine deutliche
       Verschlechterung der Pressefreiheit in der Finanzmetropole. Lag Hongkong im
       Jahr 2002 auf der [2][Rangliste der Pressefreiheit] noch auf Platz 18,
       belegt die Stadt mit Platz 70 nur noch ein Mittelfeld. China liegt von den
       180 untersuchten Staaten auf dem viertletzten Platz.
       
       25 Apr 2016
       
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