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       # taz.de -- Präsidentschaftswahl auf den Philippinen: Es droht eine erneute Diktatur
       
       > Rodrigo Duterte könnte die Wahl mit größenwahnsinnigen Slogans gewinnen.
       > Bisher regiert auf den Inseln hauptsächlich die Korruption.
       
   IMG Bild: Hauptsache die Pose stimmt: Rodrigo Duterte im Wahlkampftaumel
       
       Peking taz | „In meinem Land ist alles möglich. Hier haben Leute eine
       Chance auf höchste Regierungsämter, die sich andernorts nicht einmal in die
       Öffentlichkeit trauen würden“, hadert Jay Donna Montelibano mit der
       Situation in ihrer Heimat. Dort sind am 9. Mai 55 Millionen Wahlberechtigte
       zur Stimmabgabe aufgerufen.
       
       Es geht um die Vergabe lukrativer Posten: 297 Kongressabgeordnete, 12
       Senatoren, der Vizepäsident sowie der Präsident stehen zur Wahl.
       
       Montelibano, die 1986 als 17-jährige Aktivistin an der Revolution gegen den
       damaligen Diktator Ferdinand Marcos beteiligt war, ist stinksauer: „Meine
       Landsleute vergessen und vergeben zu schnell. Bestes Beispiel ist doch
       ‚Bongbong‘ Marcos“, ärgert sie sich. Der Sohn des vertriebenen Tyrannen hat
       es inzwischen nicht nur zum Senator gebracht, sondern liegt nun
       aussichtsreich im Rennen um den Posten des Vizepräsidenten.
       
       Proteste von Folteropfern der Marcos-Diktatur gegen den 51-Jährigen machten
       nur kurz Schlagzeilen. Viel zu mächtig ist der Marcos-Clan längst wieder.
       „Bongbongs“ Schwestern und seine senile Mutter Imelda sind mit Kongress-
       und Gouverneursämtern versorgt.
       
       ## Demokratie als Selbstbedienungsladen
       
       Die Demokratie auf den Philippinen ist in erster Linie ein
       Selbstbedienungsladen für einige Dutzend schwerreiche Familien. Sie
       besetzen seit Generationen die politische Führung des Landes. Auch der
       scheidende Präsident, Benigno „Noynoy“ Aquino verdankte sein Amt in erster
       Linie seinem Namen. Er ist der Sohn des von Marcos-Schergen ermordeten
       Oppositionellen Benigno „Ninoy“ Aquino und der späteren Präsidentin Corazón
       Aquino.
       
       Am Ende seiner sechsjährigen Amtszeit steht zwar ein solides
       Wirtschaftswachstum auf der Habenseite. Profitieren tun aber zu wenige
       davon. Weiterhin lebt ein Viertel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze.
       Der allgegenwärtigen Korruption ist Aquino nicht Herr geworden. Dafür waren
       seine Versuche zu halbherzig.
       
       Die Unzufriedenheit im Land ist groß, der Ruf nach einer starken
       Führungsfigur laut. Ideal für ein Großmaul wie Rodrigo Duterte. Mehr als 20
       Jahre hat der selbst ernannte Sozialist Davao City, die zweitgrößte Stadt
       des Inselstaates, mit eiserner Hand regiert. Er rühmt sich öffentlich, dass
       „mehr als 1.000 Kriminelle“ während seiner Amtszeit exekutiert wurden,
       viele offenbar von Todesschwadronen.
       
       Als Präsident werde er keine Gnade kennen: „Es wird null Toleranz geben.
       Ich werde Kriminalität und Korruption innerhalb von sechs Monaten
       ausrotten“, brüstet sich der 71-Jährige, der häufig mit Donald Trump
       verglichen wird. Wie dieser in den USA kommt Duterte in den Philippinen mit
       Machogehabe und starken Sprüchen gut an.
       
       Selbst dass Duterte die Massenvergewaltigung einer Missionarin zwar
       bedauerte, aber nach eigenen Worten dabei eigentlich als Erster hätte dran
       sein wollen, weil das Opfer „so schön“ gewesen sei, hat ihm nicht
       geschadet. Alle Umfragen sehen ihn bei der Abstimmung vorn.
       
       Jay Montelibano ist entsetzt: „Duterte an der Macht, der mit Kriegsrecht
       droht? Wie damals bei Marcos? Ich bete, dass Grace Poe das Rennen machen
       wird.“ Die Adoptivtochter des populären Filmstars Fernando Poe Jr. ist die
       einzige echte Kontrahentin für Duterte.
       
       Die unabhängige Kandidatin gehört keinem Familienclan an und wurde doch vor
       drei Jahren mit großer Mehrheit zur Senatorin gewählt. „Im Gegensatz zu
       Duterte hat sie eine politische Agenda, sie ist integer und hat im Senat
       überzeugt“, lobt Montelibano. Gute Gründe, für die 47-Jährige zu stimmen.
       Doch dass sich Vernunft gegen Großmannssucht behauptet, darf bezweifelt
       werden.
       
       9 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hilja Müller
       
       ## TAGS
       
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