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       # taz.de -- Kolumne „German Angst“: Kein Gespenst, ein Zombie geht um
       
       > Die EU verwandelt ihre Peripherie in eine Pufferzone autoritärer Staaten.
       > Der völkische Nationalismus lebt wieder auf.
       
   IMG Bild: Wie Untote sind die Krisen des 20. Jahrhunderts zurückgekehrt
       
       Hat eigentlich in den letzten Wochen mal jemand nach Südosteuropa geschaut?
       Seit die Balkanroute zu ist, ist es in Deutschland still geworden. Die
       Verzweifelten suchen sich zwar neue Pfade. Aber die EU ist wie ein kleines
       Kind: Sie hält sich die Augen zu und ist überzeugt, so sei sie unsichtbar.
       Ein bisschen ist sie es auch – solange die Türkei die Flüchtlinge außer
       Sichtweite hält, vielleicht sogar bald mit Selbstschussanlagen.
       
       Das müssen die PolitikerInnen in Deutschland mit ihrem
       Die-Probleme-müssen-vor-Ort-gelöst-werden-Mantra gemeint haben. So einfach
       ist es: Problem outgesourct und erledigt. Solange der eine „starke Mann“
       mitspielt. Und es wäre doch wirklich lustig, wenn Merkels [1][Deal
       scheitert], gerade weil Erdoğan die ihm zugewiesene Macht über Leben und
       Sterben der Flüchtlinge zu Kopf gestiegen ist.
       
       Und der Balkan? Solange das verarmte Mazedonien in der Tradition eines
       Wehrbauern am Rande des Imperiums die Schmutzarbeit erledigte, erst die
       Tracks koordinierte und dann die Grenzen schloss, kniff man beide Augen zu.
       Doch nun gibt es wieder Proteste gegen die korrupte autokratische
       Regierung. Die sitzt so fest im Sattel, dass sie sich Stimmen kauft und
       unabhängige Medien schließt. Aber was soll man Mazedonien vorwerfen? Es
       liegt ja im Trend.
       
       Die europäischen Medien etwa redeten dem serbischen Präsidenten
       [2][Aleksandar Vučić] nach dem Maul. Er inszenierte die letzte Wahl als
       eine für Europa oder dagegen – und verkaufte sich erfolgreich als
       pro-europäisch. Kurz nach der [3][extra vorverlegten Wahl] überfielen
       Maskierte die selbst organisierten Flüchtlingsunterkünfte in Belgrad und
       zerstörten sie vollständig. Und Vučić sitzt wiedervereint mit seinem
       Mentor, dem freigesprochenen (!) Kriegsverbrecher Vojislav Šešelj im
       Parlament. Aber was soll’s – auch Serbien hat sein Scherflein zur Festung
       Europa beigetragen.
       
       ## Faschistoid und gescheitert
       
       Und Kroatien? Das EU-Land hat einen Kulturminister, der die
       [4][Ustascha-Bewegung verherrlicht] und im Vernichtungslager Jasenovac bloß
       ein KZ sieht. Und dann noch der failed stateBosnien, in dem jede Ethnie ihr
       Schulsystem hat, ihre eigene Legislative und Exekutive. Racket pur. Selbst
       die EU hat Angst vor dem von ihr geschaffenen Frankenstein. Aber wie auf
       gleiche Rechte aller BürgerInnen pochen, wenn jede Ethnie ihre eigenen hat?
       Also schweigt die EU.
       
       Europas nationale Regression ist nicht mehr aufzuhalten. Der halbe Balkan
       ist degradiert zu einem Ring aus winzigen Wehrbauernstaaten, einer
       undurchdringlichen Pufferzone aus unberechenbaren autoritären
       Ein-Mann-Autokratien, mit denen sich Kerneuropa vor Krisen und Einwanderung
       schützt. Und so tauchen die Krisen immer zuerst am Rande auf, zuerst die
       Finanz-, dann die Flüchtlingskrise.
       
       Wie Untote kehren die Krisen des 20. Jahrhunderts zurück, kein Gespenst
       geht um in Europa, sondern ein Zombie: neben dem mörderischen Nationalismus
       und den nationalen Grenzen überforderte PolitikerInnen, unübersichtlichen
       Bündnisse. Und so ist wieder eine Neuordnung im Gange, welche die
       Menschenrechte zugunsten des Selbstbestimmungsrechts der Völker hinter sich
       gelassen hat. Mit allen Konsequenzen.
       
       11 May 2016
       
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