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       # taz.de -- Neuer Atomskandal in Frankreich: Pfusch bei AKW-Bauteilen?
       
       > Eine Areva-Tochter hat 80 Atomkraftwerke mit Reaktordruckbehältern
       > ausgestattet. Nun zweifelt die Atomaufsicht an deren Sicherheit.
       
   IMG Bild: Areva-CEO Philippe Knoche (l.) und der französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron – hier im Mai 2016 zu Besuch im Schmiedewerk Creusot Forge – dürften sich noch viel zu sagen haben
       
       Freiburg taz | Das könnte sich zu einem handfesten Skandal der
       französischen Atomwirtschaft entwickeln: Der weltgrößte Nuklearkonzern
       Areva muss Unregelmäßigkeiten bei der Fertigungskontrolle von Herzstücken
       der Reaktoren zugeben. Bei etwa 400 Bauteilen, die seit 1965 im
       Schmiedewerk Creusot Forge hergestellt wurden, sei die Qualität unsauber
       dokumentiert, sagt die französische Atomaufsicht ASN. Creusot Forge ist
       eine Tochterfirma von Areva.
       
       Laut der Atomaufsicht gibt es in den Protokollen „Unstimmigkeiten,
       Veränderungen oder Auslassungen“ bei Herstellungsparametern und
       Testergebnissen. Aufgeflogen war das erst, nachdem die ASN am
       Reaktordruckbehälter des im Bau befindlichen Kraftwerks im französischen
       Flamanville „sehr ernste Anomalien“ entdeckt hatte und diesen nachging.
       
       Nach den neuesten Enthüllungen hat die ASN den Atomkonzern verpflichtet,
       binnen 15 Tagen darzulegen, welche sicherheitstechnische Relevanz diese
       Schlampereien haben. Die Aktie des Unternehmens kam daraufhin unter Druck;
       sie verlor alleine am Dienstag mehr als sieben Prozent, womit der Konzern
       in den letzten fünf Jahren 86 Prozent seines Börsenwertes eingebüßt hat.
       
       Die in der Kritik stehende Schmiede in der Region Bourgogne-Franche-Comté
       hat die Reaktordruckbehälter für rund 80 Atomkraftwerke weltweit gefertigt.
       Deutschland sei aber nicht betroffen, heißt es beim Deutschen Atomforum:
       Die Ringe der hiesigen Druckbehälter der noch laufenden Reaktoren seien
       allesamt bei Japan Steel Works hergestellt worden.
       
       ## Parallelen zu Fälschungsskandalen
       
       Für Mycle Schneider, Energie- und Atompolitikberater in Paris, steht mit
       den jüngsten Entdeckungen „die interne Zuverlässigkeit bei Areva in Frage“.
       Und nicht nur das: Auch die Aufsichtsbehörde ASN sei „offensichtlich
       unfähig, diese gravierenden Unzulänglichkeiten zeitnah aufzudecken“. Damit
       kämen „erhebliche Zweifel an dem gesamten, viel gepriesenen
       Sicherheitskontrollsystem in Frankreich auf“.
       
       Schneider sieht bereits Parallelen zu anderen großen Fälschungsskandalen
       der weltweiten Atombranche. So mussten 2003 in Japan vorübergehend alle 17
       Reaktoren der Firma Tepco vom Netz. Auch in Südkorea wurde vor einigen
       Jahren bekannt, dass tausende von Bauteilen über einen Zeitraum von zehn
       Jahren gefälscht worden waren. Mehrere Atomkraftwerke mussten daraufhin
       zeitweilig abgeschaltet werden. „Stehen wir jetzt vor einer französischen
       Version dieser Skandale?“ fragt Schneider.
       
       Einer der Reaktoren mit einem Reaktordruckbehälter aus der Areva-Schmiede
       ist das Kraftwerk Beznau in der Schweiz. Der weltweit älteste Reaktorblock
       Beznau 1 ist seit März 2015 abgeschaltet, nachdem Hunderte von
       Materialfehlern im Druckbehälter festgestellt worden waren. Jetzt teilte
       der Betreiberkonzern Axpo mit, dass die „festgestellten Anzeigen
       herstellungsbedingt“ seien. Die Prüfung, ob der Reaktor jemals wieder ans
       Netz gehen darf, wird sich daher noch viele Monate hinziehen; zumindest bis
       zum Jahresende steht der Meiler also mit Sicherheit still.
       
       4 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernward Janzing
       
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