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       # taz.de -- Kolumne Habibitus: Sachlichkeit ist für Lauchs
       
       > Früher war ich sehr wütend, heute bin ich eher „shady“. Am liebsten
       > lästere ich über weiße Typen, die sich kackscheißig verhalten.
       
   IMG Bild: Noch ein bisschen was auftragen und dann – let's throw some shade!
       
       Als ich in der CDU-dominierten Kleinstadthölle Buchholz in der Nordheide
       aufwuchs, trug ich viel Wut in mir. Ich hasste den Großteil der Menschen in
       meiner Umgebung und war einen Ausraster davon entfernt, Leute in der Schule
       mit Schellen statt mit Handschlägen zu begrüßen. Ausdruck meiner Ablehnung
       war es auch, stundenlang mit meinen Freund_innen schlecht über andere
       Menschen zu sprechen.
       
       Eine Praxis, die ich heute stark verurteile, da dieses Lästern viel auf
       Girl Hate oder Slut Shaming beruhte. Das kann ich mittlerweile reflektieren
       und bin froh darüber, bereits während der Schulzeit das abgelegt zu haben,
       was gern als Hinterfotzigkeit bezeichnet wird.
       
       Versteht mich nicht falsch: Viel Wut trage ich auch heute noch in mir, und
       shady bin ich immer noch. Nur anders. Shady“ kann mit vielen Adjektiven
       übersetzt werden: hinterlistig, boshaft, zwielichtig, gewieft. „Shade“
       bedeutet eigentlich Schatten, es gibt aber auch die Formulierung „to throw
       shade“, Schatten werfen. Wäre throwing shade eine Sportart, wäre es die
       einzige, in der ich gut wäre. I don’t take shit from anybody.
       
       Shady und feministisch sein – passt das zusammen? Was an meiner frühen,
       giftigen Läster-Praxis so problematisch war: Ich war einfach eine gemeine,
       gehässige Kuh. Ich habe mich über Mädchen lustig gemacht, die auf Partys
       betrunken gekotzt haben, oder über ihre schlimme Kleidung. Heute lästere
       ich stattdessen über rassistische Kommentare, über White Entitlement, also
       über unberechtigte Berechtigungsansprüche weißer Personen. Über peinliche
       Inszenierungen romantischer Paare auf Facebook oder aggressive
       Heterosexualität. Und vor allem über weiße Typen, die sich kackscheißig
       verhalten.
       
       ## Frühlingsgefühle
       
       Von ihnen gibt es viele, besonders im Frühling kommen sie aus ihren
       schlecht eingerichteten Zimmern mit Bart-Simpson-Postern und von Mutti
       ausgesuchter Bettwäsche gekrochen. Oberkörperfrei, in Flip-Flops oder
       barfuß – auf jeden Fall ihre ungepflegten Füße präsentierend–, mit blonden
       Dreadlocks, Pluderhosen und unnormal hässlichen Kinnbärten kommentieren sie
       alles, was nicht wie sie selbst aussieht. Gern in Kombination mit ihren
       Gitarren und schäbigen Covern von Oasis oder Bob Marley, mit denen sie ihr
       Umfeld betören wollen – das aber allein wegen ihrer Wursthaare nicht
       schaffen. Ihnen gegenüber fällt es mir leicht, gemeine Kommentare
       abzulassen. Das ist auf keinen Fall nett, aber es ist aufgrund der
       Machtdynamik, in der wir uns befinden, auch nicht diskriminierend.
       
       Ich kann den Shade nicht ablegen. Femininität ist ohnehin mit den
       Attributen hinterlistig und fake besetzt. Trage ich Lippenstift, bin ich
       quasi automatisch Lästerschwester. Außerdem: Ich bin Skorpion. Das ist
       eines der gemeinsten Sternzeichen überhaupt. Aber auch loyal und ehrlich.
       Wenn ich mit Leuten befreundet bin, dann bin ich bereit, all ihre Hater
       fertigzumachen. Soll heißen: Ich bin nicht shady im Sinne von hinterlistig,
       sondern nur im Sinne von böse und frech. Böse gegen problematische
       Nervensägen. Sachlichkeit ist für Lauchs. Mein Shade ist politisch.
       
       25 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hengameh Yaghoobifarah
       
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