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       # taz.de -- Pflanzenschutzmittel Glyphosat: Zünglein SPD
       
       > Die EU-Kommission will das umstrittene Pflanzengift für neun weitere
       > Jahre zulassen. Doch nun gibt es aus Berlin – eventuell entscheidenden –
       > Gegenwind.
       
   IMG Bild: Aktivisten protestieren im März in Hamburg gegen Glyphosat
       
       Brüssel taz | „We are pissed off.“ Mit diesen Worten kommentierte die grüne
       Fraktion im Europaparlament die Ergebnisse eines ganz speziellen Urintests
       – und einer umstrittenen EU-Entscheidung. Es geht um Glyphosat, das von
       Landwirten und Hobbygärtnern als Pflanzenschutzmittel eingesetzt wird und
       als krebserregend gilt. Die Zulassung in der EU läuft Ende Juni aus, die
       Grünen sind gegen eine Verlängerung.
       
       Um ihre Ablehnung zu begründen, haben sie 48 Europaabgeordnete aus 13
       EU-Ländern um Urinproben gebeten. Und siehe da: Im Durchschnitt fanden sich
       1,7 Mikrogramm der Chemikalie im Urin der Parlamentarier – 17-mal mehr als
       in der europäischen Trinkwassernorm erlaubt. „Das bedeutet, dass Glyphosat
       auch ein Gesundheitsproblem für Europaabgeordnete sein könnte“, so die
       Grünen.
       
       Zunächst ist es aber vor allem ein politisches Problem. Denn die
       EU-Kommission will die Zulassung der umstrittenen Chemikalie um neun Jahre
       verlängern, wie am Donnerstag in Brüssel bekannt wurde. Das Europaparlament
       wollte nur sieben Jahre – und fühlt sich düpiert.
       
       Aber auch in den EU-Ländern, die der Empfehlung noch zustimmen müssen, gibt
       es Streit. Die Bundesregierung ist gespalten: Die SPD-geführten
       Bundesministerien sind gegen die Verlängerung, das CSU-geführte
       Landwirtschaftsministerium ist dafür.
       
       „Dass Glyphosat negative Auswirkungen auf die Umwelt hat, ist nachgewiesen.
       Das muss bei der Zulassung umfassend berücksichtigt werden“, sagte
       Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, eine Sozialdemokratin. „Vor dem
       Hintergrund nach wie vor bestehender Unsicherheiten über die
       gesundheitlichen Risiken werden die SPD-geführten Ressorts einer
       Verlängerung für die Zulassung von Glyphosat nicht zustimmen“, so die
       SPD-Politikerin.
       
       ## Entscheidende Stimme
       
       Wenn sich Deutschland als Konsequenz bei der Abstimmung nächste Woche
       enthält, käme die notwendige qualifizierte Mehrheit für den Vorschlag der
       Kommission wohl nicht zustande. Denn dafür fehlen der EU-Kommission noch
       zwei Länder – neben den Niederlanden setzt sie auch auf Deutschland.
       Frankreich hat bereits angekündigt, die Verlängerung abzulehnen. In Kreisen
       des EU-Parlaments wie auch in deutschen Regierungskreisen hieß es, es sei
       unklar, ob die erforderliche Mehrheit erreicht werde.
       
       Bei einem Patt könnte die Brüsseler Behörde die Zulassung allerdings auch
       im Alleingang durchsetzen. Denn die Entscheidung fällt im sogenannten
       Komitologie-Verfahren – dort hat die Kommission besondere Rechte.
       
       Skeptisch äußerte sich der Grünen-Europaabgeordnete und Agrarexperte Martin
       Häusling. „Ich sehe noch nicht, dass sich Deutschland enthält“, sagte er
       der taz. Die letzte Entscheidung sei noch nicht gefallen. Scharf
       kritisierte Häusling die EU-Kommission. Die Brüsseler Behörde habe sich
       über alle Einwände des Europaparlaments hinweggesetzt und missachte
       internationale Standards.
       
       Im Frühjahr 2015 hatte die internationale Agentur für Krebsforschung der
       Weltgesundheitsorganisation WHO festgestellt, Glyphosat sei wahrscheinlich
       krebserregend.
       
       12 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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