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       # taz.de -- Dritte verdeckte Ermittlerin in Hamburg: Falsches Spiel mit falschen Haaren
       
       > In der Hamburger linken Szene ist eine weitere verdeckte Polizistin
       > enttarnt worden. Sie soll sich über Jugendprojekte eingeschleust haben.
       
   IMG Bild: Erneut unter Verdacht: Zeitweise sollen gleich zwei verdeckte Enmittlerinnen in der Roten Flora gewesen sein
       
       HAMBURG taz | Erneut ist eine verdeckte Ermittlerin des Staatsschutzes des
       Hamburger Landeskriminalamtes (LKA) in der linken Szene aufgeflogen. Zu
       diesem Ergebnis kommt zumindest eine Recherchegruppe aus em Umfeld der
       autonomen Roten Flora. Demnach spionierte die heute 34-jährige LKA-Beamtin
       Astrid O. unter dem Tarnnamen „Astrid Schütt“ seit Ende 2006 bis April 2013
       verschiedene linke Gruppen aus. Nach Iris P. und Maria B. ist Astrid O. die
       dritte Undercover-Agentin, die innerhalb von eineinhalb Jahren im
       Nachhinein enttarnt worden ist.
       
       Laut Recherchegruppe ist die Polizistin Astrid O. in der
       schleswig-holsteinischen Kleinstadt Garding aufgewachsen, hat Ende 2006 als
       „Astrid Schütt“ über das CaféFlop im Hamburger Stadtteil Bergedorf in der
       linken Szene Fuß gefasst, wo sie am regelmäßigen Antifa-Caféteilnahm. In
       dieser Zeit ließ sie sich in einem Afroshop Dreadlocks machen. 2007 war sie
       in Antifa-Gruppen in Harburg aktiv, war in die Gegenaktivitäten zum
       G8-Gipfel in Heiligendamm und zum Asien-Europa-Treffen in Hamburg
       involviert. Bevor sich 2008 ihr Wirken nach Altona verlagerte und dort im
       Wohnprojekt Klausstraße das Antifa-Jugend-CaféMafalda organisierte.
       
       Schon damals habe es den ersten Spitzelverdacht gegeben, erklärt die
       Recherchegruppe. Astrid O. habe auffällig viele Fragen gestellt, war mit
       Abstand die Älteste und hatte in ihrer Wohnung in der Holländischen Reihe
       einen Nahkampfstock „Tonfa“ herumliegen, wie er bei der Polizei eingesetzt
       wird. „Diesen Unklarheiten wurden aber damals leider nicht ausreichend
       nachgegangen“, schreibt die Recherchegruppe in ihrem Dossier.
       
       Astrid O. versuchte demnach, 2008 weitere intensive Kontakte zu
       verschiedenen Gruppen aufzubauen, war 2009 bei der Vorbereitung einer
       Hausbesetzung involviert und engagierte sich regelmäßig und verbindlich auf
       dem Plenum der besetzten Roten Flora und der Autonomen Vollversammlung.
       
       Sie habe sich aktiv an inhaltlichen Auseinandersetzungen aber auch an
       praktischen Dingen wie Türschichten bei Wochenendveranstaltungen in der
       Flora beteiligt. Sie sei „über Jahre Teil der freundschaftlichen Kontakte
       des Projektes geworden“. Nach dem Plenum sei sie regelmäßig bei den
       Kneipenrunden in Fritz Bauch dabei gewesen.
       
       Ende 2009 war „Astrid Schütt“ Mitbegründerin und Namensgeberin der „Nella
       Faccia“, einer Gruppe junger Leute, die sich der Antifa- und
       Antirepressionsarbeit widmete, was ihr auch die Türen zu
       Anti-Repressionsgruppe der Roten Flora geöffnet haben soll. „Seit
       spätestens Ende 2010 war die Beamtin Astrid O. aktiver Teil aller
       Gruppendiskussionen und Aktivitäten“, so die Recherchegruppe. Sie vermutet,
       dass damals die Observationen der Gruppe spürbar nachgelassen haben, weil
       O. bei den Treffen viel mitgeschrieben hatte – angeblich weil sie an
       Vergesslichkeit litt.
       
       ## Pampig und souverän
       
       Später beteiligte sich O. aktiv an der Vor- und Nachbereitung des Autonomen
       Kongresses in Köln 2011, wo Militanzdebatten im Vordergrund standen, und an
       den Vorbereitungen von Gegenaktionen zum Neonaziaufmarsch am „Tag der
       deutschen Zukunft“ im Juni 2012.
       
       Im selben Jahr kam erneut der Spitzelverdacht auf. „Auf die Konfrontation
       reagierte O. pampig und trotzig und doch zugleich sehr souverän“, so die
       Recherchegruppe. Sie bestritt den Vorwurf und bot Gegenbeweise wie
       Personalausweis und Kontoauszüge an. Ihre Legende hielt stand.
       
       Im April 2013 zog sich Astrid O. plötzlich aus den politischen Strukturen
       zurück und tauchte nach Italien ab, bis sie im Oktober 2013 in den
       Polizeidienst ins Polizeipräsidium zurückkehrte. In den Augen der
       Recherchegruppe ist Astrid O. die Nachfolgerin von Iris P., die auch in
       Doppelfunktion als verdeckte Aufklärerin für den Hamburger Staatsschutz und
       als verdeckte Ermittlerin zur Aufklärung von Brandanschlägen eingesetzt
       worden war. Zeitweilig beackerte sie mit Maria B. die gleichen Politfelder.
       „Astrid hat sich ihre Glaubwürdigkeit über Jahre erarbeitet“, so das Fazit
       der Gruppe. „Sie ist tief in unsere Strukturen eingetaucht.“
       Erschreckenderweise hätten zwei verdeckte Ermittlerinnen auf demselben
       Plenum gesessen.
       
       18 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kai von Appen
       
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