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       # taz.de -- Jugendbuch über Fliehende: „Ha, des isch a Flüchtling“
       
       > Der Reader „Neu in der Fremde“ lässt Jugendliche an den Erfahrungen
       > Geflohener teilhaben und gibt Hinweise, wie Integration gelingen könnte.
       
   IMG Bild: Flüchtlingscamp nahe der griechisch-mazedonischen Grenze
       
       Als Scharajeg 1989 in Bayreuth zur Welt kommt, leben ihre Eltern noch in
       einem Asylheim in Bayern. Der Vater hatte Haft und Folter im berüchtigten
       iranischen Evin-Gefängnis überlebt. Mit Hilfe eines Schleppers war die
       Familie damals über die Türkei geflohen und hatte in Deutschland
       politisches Asyl beantragt. Heute arbeitet Scharajeg für die Bremer
       Bildungsbehörde und hilft Vorkurse für Flüchtlingskinder an den
       Regelschulen einzurichten.
       
       Ihr biografischer Beitrag ist einer von zwanzig packenden Texten über
       Flucht und Neuanfang, die von den Herausgeberinnen Carolin Eichenlaub und
       Beatrice Wallis in ihrem Band „Neu in der Fremde. Von Menschen, die ihre
       Heimat verlassen“ für Jugendliche zusammengetragen wurden. In Interviews
       und Berichten erzählen Menschen aus verschiedenen Generationen, aus
       Exjugoslawien, Äthiopien, Ägypten oder Syrien von ihren Erfahrungen als
       Flüchtlinge in Deutschland.
       
       Manchmal liegt der Beginn in der Fremde schon Jahrzehnte zurück wie bei
       Andrea, die mit ihren Eltern aus der damaligen „Ostzone“ 1957 auf die
       schwäbische Alb zog. „Ha, des isch a Flüchtling“ kommentierten damals die
       Kinder ihren sächsischen Dialekt. Christiane hingegen zog als Zehnjährige
       1977 mit ihrer Mutter aus Hamburg in die französische Provinz, wo sie als
       Deutsche misstrauisch beäugt wurde.
       
       Jannis wuchs als Sohn griechischer „Gastarbeiter“ in Kehl am Rhein auf. Er
       erlebte dort, wie fast alle seine Mitschüler mit Migrationshintergrund in
       der Schule aussortiert wurden und er einer der ganz wenigen von ihnen war,
       der aufs Gymnasium wechselte. Heute arbeitet er als Sozialarbeiter mit
       Flüchtlingen und versucht, wie er sagt, „Humor und Höflichkeit, Respekt und
       Achtung als oberstes Prinzip in der Beratung walten zu lassen“.
       
       Die Erfahrungen junger Erwachsener wie Jannis und Scharajeg, die trotz
       aller Widrigkeiten und Zurückweisungen sich ihren Platz in der Gesellschaft
       erkämpfen konnten, bieten wertvolle Informationen für die sinnvolle
       Unterstützung, der nun als Flüchtlinge ankommenden Kinder und Jugendlichen.
       „Schule kann in diesem Zusammenhang eine große Stütze sein.“
       
       Obwohl der Reader offensiv das Prinzip Hoffnung verfolgt, lassen einzelne
       Biografien das nachhaltige Trauma von Gewalt und Flucht bedrückend deutlich
       erahnen. So erzählt Ena von dem Verlust ihres vertrauten Lebens im
       damaligen Jugoslawien. Die heute 32-jährige Journalistin floh 1993 mit der
       Mutter und dem jüngeren Bruder während des jugoslawischen Bürgerkriegs über
       Umwege nach Mannheim. Die Überreste ihres Vaters wurden 2002, zehn Jahre
       nach seiner Ermordung, in einem Massengrab in der Gemeinde Prijedor
       identifiziert.
       
       Viel zu oft entscheidet der Zufall über ein Flüchtlingsschicksal. Dem
       jungen syrischen Aktivisten Aboud drohte aufgrund der Dublin-Regelung 2015
       die Abschiebung nach Ungarn. Überfordert und depressiv, war er kurz davor
       aufzugeben und sich das Leben zu nehmen. Glücklicherweise erkannte eine
       Mitarbeiterin der Gießener Asylberatung in diesem Moment Abouds kritischen
       Zustand. Unbürokratisch verschaffte sie ihm zunächst einen stationären
       Therapieplatz, später Kirchenasyl. Abouds Erlebnisse klingen tragisch –
       aber auch tröstlich, denn sie zeigen auch: Schon ein einzelner Mensch kann
       viel bewegen.
       
       25 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eva-Christina Meier
       
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