URI: 
       # taz.de -- Umstrittenes Formel-E-Rennen in Berlin: Einblicke in eine verkehrte Welt
       
       > Bei dem Autorennen durch Mitte wurde vom Senat versäumt, für
       > Elektromobilität zu werben. Dafür sammelten andere für den Volksentscheid
       > Fahrrad.
       
   IMG Bild: Vernebelte Sicht: Siegerehrung statt Elektroplädoyer
       
       Wenn Cai Wagner in diesen Tagen aus dem Fenster seiner Galerie schaut,
       sieht er nur ein paar Meter weit. Sein Blick über den Strausberger Platz
       wird von hohen Zuschauertribünen und Bauzäunen versperrt. „Wir mussten die
       Galerie heute geschlossen lassen, obwohl Samstag eigentlich der Besuchertag
       ist“, sagt der 48-Jährige, während er das Spektakel vor der Scheibe
       beobachtet. Draußen findet das zweite Formel E-Rennen in Berlin statt.
       
       18 Rennwagen mit Elektromotor rasen dabei 48 Runden lang über die temporäre
       Rennstrecke auf der Karl-Marx-Allee in Mitte und Friedrichshain. Das
       Ereignis soll laut Veranstalter und Senat für die Elektromobilität werben;
       die beiden betroffenen Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg hatten
       sich gegen das Rennen an dieser Stelle ausgesprochen. Letztlich ist es vor
       allem eine Geduldsprobe für viele BerlinerInnen.
       
       Vor drei Wochen habe man hier angefangen aufzubauen, so Wagner. Die
       Einschränkungen seien immer schlimmer geworden. „Das Event ist ein
       typisches Beispiel für die Berliner Politik, die nicht verstanden hat, dass
       diese Stadt wertvoll ist. Berlin muss sich nicht ausverkaufen“, sagt
       Wagner, dessen Galerie genau hinter einer der Zuschauerkurven liegt.
       
       Ringsum ist alles dicht bebaut mit Rängen und Streckenposten. Nur ein
       kleiner Weg wurde den PassantInnen frei gehalten. Mühselig schiebt man sich
       durch die enge Gasse zwischen Bauzäunen und Formel-E-Ungetüm.
       
       ## Nichts außer Technobeats
       
       Manche AnwohnerInnen können dem Spektakel hingegen etwas abgewinnen. Zum
       gemeinsamen Rennengucken haben sie Freunde auf ihre Balkone eingeladen. Ein
       ganzes Dach hoch über dem Strausberger Platz ist voll besetzt mit
       ZuschauerInnen. Anderen wiederum ist der Trubel egal. „Ob hier ein Film
       gedreht wird, eine Demo lang läuft oder Elektrorennautos durchfahren – auf
       der Karl-Marx-Allee finden so viele Sachen statt, das stört mich nicht
       mehr“: Sandra Rakete wohnt weit oben in einem der Hochhäuser am
       Alexanderplatz.
       
       Während sie spricht, verrät der Blick auf die Uhr, dass das Rennen begonnen
       haben muss. Zu hören und sehen ist davon hier, direkt hinter der
       Absperrung, nichts. Ein Phantom, dieses E-Rennen. Selbst im frei
       zugänglichen „eVillage“ direkt am Alexanderplatz bekommt man außer den
       Technobeats von „FormulaEJ“ und der Stimme des Kommentators nichts mit von
       dem Rennen: kein Motorheulen, noch nicht mal Reifengequietsche.
       
       Ein Burrito-Foodtruck, werbende Automobilhersteller und das Siegertreppchen
       für später stehen hier in dem umzäunten Bereich. Und wer genau hinschaut,
       entdeckt den am Rande platzierten Stand eines E-Bike-Anbieters. Peter
       Zierle steht hinter dem Infotisch. Nebenbei sammelt er an diesem Samstag
       Unterschriften für die Initiative „Volksentscheid Fahrrad“. „Touristen und
       Berliner kommen an den Stand, weil sie gezielte Fragen zu den E-Bikes
       haben. Die spreche ich dann auch auf den Volksentscheid an“, sagt Zierle.
       
       ## Vor lauter Konfetti die grüne Botschaft übersehen
       
       Besucher Stefan Bohlmann ist extra gekommen, um sich über E-Mobilität zu
       informieren. „Ehrlich gesagt habe ich mehr Infostände erwartet. Hier stehen
       zwei, drei Autos und das war’s schon“, sagt er enttäuscht.
       
       Dann ruft der Moderator: „Champagne is in the house“ durch das Mikrofon.
       Bei der Siegerehrung hat das restliche E-Village-Publikum vor lauter
       Konfettiregen die Botschaft der grünen Energie wohl ganz verdrängt. Das
       Thema Elektromobilität wäre es wert gewesen, den informierenden Part nicht
       nur alibimäßig aufzufahren. Grün ist hier am Schluss eben nur die
       Champagnerflasche.
       
       23 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eva Schneider
       
       ## TAGS
       
   DIR Formel E
   DIR Elektromobilität
   DIR Formel E
   DIR Volkswagen
   DIR Elektromobilität
   DIR Autoindustrie
   DIR Formel E
   DIR Formel E
   DIR Subventionen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Formel E in Berlin: Wenn Motoren leise surren
       
       In Zeiten vom Dieselskandal will der Motorsport nicht abgehängt werden. In
       Berlin präsentiert sich die Formel E – neben Flüchtlingscontainern.
       
   DIR Kommentar von Andreas Wyputta: Die Zukunft verschlafen
       
       Das Land Niedersachsen hängt wirtschaftlich am Volkswagen-Konzern. Zu blöd,
       dass VW noch in der automobilen Steinzeit lebt
       
   DIR Elektromotorrad aus dem 3-D-Drucker: „Die unglaubliche Leichtigkeit ist toll“
       
       APWorks setzt auf Print-Erzeugnisse. Ein Motorrad zum Beispiel. Niels
       Grafen hat es erfunden – und schwärmt von der Leichtigkeit des Bikes.
       
   DIR Porsche und die Nachhaltigkeit: Höllenfeuer mit Biogas
       
       Sportwagen und Kampfflugzeuge sind selten öko, trotzdem veröffentlichen
       Porsche und Lockheed Martin „Nachhaltigkeitsberichte“. Und das ist gut so.
       
   DIR Umstrittenes Elektrorennen in Berlin: Genetisch bedingter Autowahnsinn
       
       Am Samstag brettern Ex-Formel 1-Piloten in Elektro-Rennautos mitten durch
       Berlin. Angeblich der Nachhaltigkeit wegen. Was soll das?
       
   DIR E-Autorennen: Senat fördert das Rasen
       
       Wenn Elektroautos mit 220 Sachen durch die Innenstadt rasen, sieht der
       Senat darin ein Zeichen für die Zukunft. Grüne und Anwohner stöhnen.
       
   DIR Subventionen für Mobilität: Ich liebe Elektroautos
       
       Die Regierung fördert jetzt Elektroautos. Das ist sozial ungerecht, weil
       nur Besserverdiener was davon haben. Aber, ehrlich: Das ist in dem Fall
       egal.