URI: 
       # taz.de -- Kanzlerin trifft Erdoğan: Merkel zweifelt an Visafreiheit
       
       > Angela Merkel sagt, dass es die Reisefreiheit für türkische Bürger zum 1.
       > Juli nicht geben wird. Was heißt das für den EU-Türkei-Deal?
       
   IMG Bild: Das Treffen fand am Rande des „Humanitären Weltgipfels“ statt
       
       Berlin dpa/taz | Die EU-Visafreiheit für Türken wird nach Einschätzung von
       Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht zum 1. Juli kommen. Merkel sagte am
       Montag nach einem Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip
       Erdoğan, dass die Bedingungen für die Visafreiheit zum 1. Juli „noch nicht
       erfüllt sein werden“. Als Grund nannte Merkel die Terrorgesetzgebung in der
       Türkei.
       
       Merkel berichtete im deutschen Generalkonsulat in Istanbul von einem
       einstündigen Treffen mit Erdoğan, das am Rande eines Weltnothilfegipfels
       stattfand. Sie habe deutlich gemacht, dass der Weg zur Visafreiheit auf 72
       Bedingungen beruhe und alle Punkte von Ankara erfüllt werden müssten, sagte
       Merkel. Sie habe auch ausgeführt, „dass hier nach Maßgabe der Dinge in den
       nächsten Wochen nicht alle Bedingungen erfüllt werden, wenn die
       Terrorismusgesetzgebung nicht verändert wird“. Erdoğan habe ihr in dem
       Gespräch gesagt, dass eine Änderung für ihn im Augenblick nicht zur Debatte
       stehe.
       
       Dieser Dissens hatte sich in den vergangenen Wochen schon angedeutet: Die
       türkischen Anti-Terror-Gesetze können nach Ansicht der EU auch dafür
       eingesetzt werden, um friedliche Regierungsgegner zu verfolgen, etwa
       kritische Journalisten oder Oppositionelle. Eine Änderung hatte Erdoğan
       schon vor dem Treffen mit Merkel mehrfach abgelehnt.
       
       Die EU hatte der Türkei 72 Bedingungen für die Reisefreiheit türkischer
       Bürger gestellt. Dieser Prozess läuft schon seit Dezember 2013. Bisher habe
       die türkische Regierung sieben von ihnen nicht erfüllt, hieß es Anfang Mai
       in einem Bericht der EU-Kommission. „Einige davon sind von besonderer
       Wichtigkeit.“ Die EU attestiert der Türkei zum Beispiel auch Mängel bei der
       Korruptionsbekämpfung.
       
       ## Im Gespräch bleiben
       
       Der Ausgang des Streits über die Visafreiheit könnte Folgen für die
       Flüchtlingspolitik der EU haben – und für Merkels innenpolitische Stärke.
       Die EU hatte am 18. März mit der Türkei ein Abkommen zur Flüchtlingspolitik
       geschlossen und Erdoğan zugesagt, die Visumspflicht schneller als geplant
       zu kippen. Sie sollte schon Ende Juni aufgehoben werden, „sofern alle
       Benchmarks erfüllt wurden“, hieß es damals beim Europäischen Rat. Diese
       Zusage war für Erdoğan neben Finanzhilfen besonders wichtig.
       
       Im Gegenzug verpflichtete er sich, alle „irregulär“ aus der Türkei nach
       Griechenland reisenden Flüchtlinge zurückzunehmen. Für jeden aus
       Griechenland abgeschobenen Syrer sollte ein Syrer legal aus der Türkei in
       die EU einreisen dürfen. Dieser EU-Türkei-Deal gilt als Grund dafür, dass
       die Flüchtlingszahlen in Deutschland deutlich gesunken sind.
       
       Merkel widersprach dem Eindruck, das Abkommen drohe zu Scheitern. „Ich habe
       den Eindruck, dass dieses Abkommen in beiderseitigem Interesse ist“, sagte
       sie. Man habe verabredet, alles daran zu setzen, „im Gespräch zu bleiben“.
       
       23 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrich Schulte
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Angela Merkel
   DIR Recep Tayyip Erdoğan
   DIR EU-Türkei-Deal
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR EU-Türkei-Deal
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Flüchtlinge
   DIR Schwerpunkt Türkei
   DIR Schwerpunkt Türkei
   DIR Bundestag
   DIR EU-Türkei-Deal
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR EU-Flüchtlingsabkommen mit der Türkei: Der Deal liegt in Trümmern
       
       Die Bundesregierung behauptet, das Abkommen habe weiter Bestand. Doch die
       EU rückt von einigen Zusagen bereits ab.
       
   DIR Kommentar Flüchtlingsabkommen: Rechtsstaatliche Skrupellosigkeit
       
       Die Türkei fühlt sich in der Frage der Visumfreiheit zu Recht von der EU
       betrogen und legt das Abkommen auf Eis. Das ermöglicht eine neue Chance.
       
   DIR Abkommen der Türkei mit der EU: Flüchtlingsdeal auf Eis gelegt
       
       Die Regierung in Ankara unterbricht die Rücknahme syrischer Flüchtlinge.
       Erst müsse die visumfreie Einreise für Türken in die EU gelten.
       
   DIR Visumstreit und Rücknahmeabkommen: Flüchtlingsdeal auf der Kippe
       
       Merkel hat Erdogan klargemacht, dass es mit der EU-Visumfreiheit zum 1.
       Juli nichts mehr wird. Nun folgt die Retourkutsche des türkischen
       Staatschefs.
       
   DIR Bundeskanzlerin in der Türkei: Merkels Spagat
       
       Die Bundeskanzlerin reist zum UN-Nothilfegipfel nach Istanbul. Sie will mit
       Erdoğan über die Flüchtlinge reden – und muss Menschenrechte ansprechen.
       
   DIR Schüsse auf Flüchtlinge: Warum sind alle so still?
       
       Türkische Grenzbeamte sollen syrische Geflüchtete getötet haben. Viele
       deutsche Politiker schweigen dazu. Und Frauke Petry triumphiert.
       
   DIR Flüchtlingsdebatte im Bundestag: Wenn Fragen ins Leere gehen
       
       Die Opposition will mit der Regierung über den Flüchtlingspakt mit der
       Türkei debattieren. Doch die blieb der „Aktuellen Stunde“ fern.
       
   DIR Visum-Liberalisierung für die Türkei: Der Deal wackelt
       
       Im Machtkampf um den Flüchtlingsdeal reagiert das EU-Parlament zögerlich.
       Die Türkei droht damit, Flüchtlinge loszuschicken.