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       # taz.de -- Datenleak in der Ostukraine: Bedrohung für Journalisten
       
       > Eine ukrainische Internetseite veröffentlicht Daten von über 4.000
       > Journalisten, die vor Ort berichtet haben. Die Staatsanwaltschaft
       > ermittelt.
       
   IMG Bild: Straßenparade für die selbsterklärte Republik Donezk. Aus dieser Region zu berichten, ist nicht einfach
       
       KIEW taz | Die ukrainische Internetseite „Mirotworez“ (Friedensschaffer)
       hat persönliche Daten von 4068 Journalisten veröffentlicht, die in den
       letzten zwei Jahren in den nicht anerkannten „Volksrepubliken“ von Lugansk
       und Donezk als Journalisten akkreditiert waren. In der über die Homepage
       von Mirotworez abrufbaren Excel-Datei mit dem Namen „Schurken“ finden sich
       Handy-Nummern, E-Mail-Adressen und Angaben über die Aufenthaltsdauer der
       Journalisten in den ostukrainischen „Volksrepubliken“.
       
       Korrespondenten von Reuters, der Süddeutschen Zeitung, ABC News, des ZDF,
       al-Dschasira, CNN, Stern und der New York Times sind genauso in der Liste
       wie Vertreter ukrainischer Medien. Ukrainische Hacker hätten die Datenbank
       der „Volksrepubliken“ geknackt und dabei sieben Terabyte an Dokumenten
       erbeutet, berichtet der Abgeordnete Anton Geraschtschenko, der als einer
       der Förderer des Internetportals gilt. Gleichzeitig kündigte er die
       Veröffentlichung der Daten 3.000 weiterer Journalisten an.
       
       Neben der Liste von Journalisten, die in den von Kiew nicht kontrollierten
       Gebieten waren, führt Mirotworez auf seiner Seite eine Datenbank, in der
       man gezielt „Terroristen“ nach Namen, Adresse und Telefonnummer suchen
       kann. Dank des Internetportals von Mirotworez, so Geraschtschenko, der
       gleichzeitig auch Berater des ukrainischen Innenministers Arsen Awakow ist,
       hätten ukrainische Sicherheitskräfte an Checkpoints ungefähr 150
       „Terroristen und deren Helfershelfer“ festnehmen können.
       
       Die ukrainische Journalistin Ekaterina Sergazkowa fürchtet nach der
       Veröffentlichung der Liste eine Hexenjagd auf alle Journalisten, die sich
       in den letzten zwei Jahren in den „Volksrepubliken“ hatten akkreditieren
       lassen. Nun gelte ein Journalist, der von dort berichtet hatte, als
       Helfershelfer von Terroristen, so Sergazkowa. Sofort nach Veröffentlichung
       der Liste hätten Kollegen bereits Drohungen erhalten. Die Veröffentlichung
       privater Daten bedrohe Gesundheit und Leben von Journalisten. Gemeinsam mit
       Kollegen hat sie eine Klage bei der Staatsanwaltschaft eingereicht. Diese
       hat inzwischen strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet.
       
       ## Offener Brief
       
       In einem offenen Brief an das Internetportal Mirotworez fordern zwei
       Dutzend in der Ukraine tätige Journalisten das Portal auf, die Liste
       unverzüglich aus dem Netz zu nehmen. Mit dieser, so die Unterzeichnenden,
       werden alle die angegriffen, die oftmals unter Lebensgefahr über die
       besetzten Gebiete berichte hatten. Eine Akkreditierung sei nicht mit einer
       Zusammenarbeit mit einer Konfliktpartei gleichzusetzen, sie biete vielmehr
       einen gewissen Schutz vor Folter und Haft. Nach der Veröffentlichung der
       Liste seien Rufe in der Gesellschaft laut geworden, diesen „Volksfeinden“
       das Handwerk zu legen.
       
       Auch der regierungskritische Journalist Oles Busina und der
       Oppositionspolitiker Oleh Kalaschnikow, [1][die beide Mitte April 2015
       ermordet worden waren], waren in der Datenbank von Mirotworez geführt
       worden. Kurz vor seinem Tod hatte Kalaschnikow von Todesdrohungen
       gesprochen, die er nach der Veröffentlichung seines Namens auf der Seite
       von Mirotworez erhalten habe.
       
       Mirotworez hat einflussreiche Unterstützer. „Ukrainische Journalisten sehen
       eine Nähe des Abgeordneten Anton Geraschtschenko und dem ehemaligen
       Gouverneur von Lugansk, Grigorij Tuka, der als Gründer des Internetportals
       gilt, zu dem Portal. Einige Journalisten schließen auch gewisse
       Querverbindungen zwischen Mirotworez und dem ukrainische Geheimdienst SBU
       nicht aus“, berichte die ukrainische Journalistin Anastasia Magasowa,
       Mitunterzeichnerin des offenen Briefes an Mirotworez, gegenüber der taz.
       
       12 May 2016
       
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