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       # taz.de -- Ausbrecher setzen Ministerin unter Druck: CDU maßregelt Ministerin
       
       > In Niedersachsen ist in diesem Jahr bereits der vierte Straftäter aus dem
       > Maßregelvollzug ausgebrochen. Die CDU will jetzt, dass die
       > Sozialministerin geht.
       
   IMG Bild: Maßregelvollzugszentrum in Moringen: Sozialministerin Rundt war hier schon zu Besuch.
       
       HANNOVER taz | Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt steht unter
       Druck. Nachdem am vergangenen Dienstag ein verurteilter Räuber aus der
       Maßregelvollzugsanstalt Hildesheim geflohen ist, fordert die
       CDU-Landtagsfraktion jetzt den Rücktritt der SPD-Ministerin. „Für die
       Bevölkerung ist Sozialministerin Rundt ein nicht mehr hinzunehmendes
       Sicherheitsrisiko“, sagt Fraktionsvorsitzender Björn Thümler.
       
       Davongerannt war der 32-jährige Straftäter auf dem Weg von der
       Behandlungsstation zur Cafeteria des Krankenhauses. Er war wegen seiner
       Suchtprobleme in klinischer Behandlung und hatte unmittelbar vor seiner
       Flucht von seinem Anwalt erfahren, dass er in den Strafvollzug verlegt
       werden soll. Für die Opposition im niedersächsischen Landtag brachte dieser
       Fall das Fass zum Überlaufen. „Immer wieder fliehen gefährliche
       Gewalttäter, ohne dass die verantwortliche Sozialministerin dieses Problem
       in den Griff bekommt“, sagt Thümler.
       
       Erst vergangene Woche gelang es einem verurteilten Mörder aus einer
       Therapieeinrichtung im niedersächsischen Northeim auszubrechen. Anfang Mai
       stach ein wegen schweren Raubs verurteilter Mann auf eine 73-jährige Frau
       ein. Er saß im Maßregelvollzug, durfte die Anstalt aber regelmäßig alleine
       verlassen und bei einem dieser Freigänge griff er die Frau an. Im Januar
       stellte sich außerdem heraus, dass ein Mann, der Freigänger in der
       Maßregelvollzugsanstalt Bad Rehburg war, im vergangenen September eine Frau
       ermordet hat.
       
       Das Sozialministerium bedauert die Vorfälle. „Für einen Rücktritt der
       Ministerin besteht aber kein Anlass“, sagt Ministeriumssprecher Uwe
       Hildebrandt. In den vergangenen Monaten habe man vielfältige Maßnahmen
       eingeleitet, um den Maßregelvollzug sicherer zu machen. Neben dem Ausbau
       der Anstalten sei das Personal in den Kliniken aufgestockt worden. Eine
       externe Forschungsgruppe solle die Maßnahmen nun evaluieren. „Von 1.250
       Patienten sind derzeit lediglich vier abgängig“, sagt Hildebrandt. Vier
       Männer sind also ausgebrochen.
       
       ## CDU will Fußfesseln
       
       Die CDU fordert eine elektronische Fußfessel für Straftäter, die im
       Maßregelvollzug Freigang bekommen. „Hätte der entflohene Straftäter eine
       Fußfessel getragen, hätte man zumindest eine Spur von ihm“, so Thümler.
       
       Ministeriumssprecher Hildebrandt wehrt diesen Vorwurf ab: „Der Rechtsstaat
       bekennt sich zur Therapie von Straftätern. Damit gehen Lockerungen und
       Freiheiten für Patienten einher, um sie wieder in die Gesellschaft
       aufzunehmen.“ Die Sicherheit sei unter Rot-Grün höher als unter der
       CDU-geführten Vorgängerregierung. Tatsächlich gab es beispielsweise 2011 in
       Niedersachsen 89 sogenannte Entweichungen aus dem Maßregelvollzug. „Dieses
       Jahr sind es bisher erst vier“, sagt Hildebrand.
       
       ## FDP will Erklärung
       
       Die FDP-Fraktion will sich der Rücktrittsforderung der CDU nicht
       anschließen. „Zumindest noch nicht“, sagt die FDP-Fraktionssprecherin für
       Soziales, Sylvia Bruns. Allerdings müsse die Landesregierung ihr Handeln
       erklären. „Es scheint, dass da die Kommunikation untereinander nicht
       funktioniert“, sagt Bruns. In Hildesheim etwa habe der Straftäter vor der
       Klinikleitung von seiner Verlegung in den Strafvollzug gewusst. Das sei
       zwar rechtens, „aber dass die Justiz kurz darauf nur ein Fax an die Klinik
       sandte, kann doch nicht deren Ernst sein“, sagt Bruns.
       
       Dort soll das Fax erst gesehen worden sein, als der Täter bereits weg war.
       Durch einen Anruf bei der Klinikleitung, für die das Sozialministerium
       zuständig ist, wäre diese Panne nicht geschehen und die Flucht hätte
       verhindert werden können, meint Bruns. Das Sozialministerium stehe also
       nicht, wie von Hildebrandt behauptet, in „ständigem Austausch“ mit dem
       Justizministerium, sagt Bruns. „Das hat hier ganz offensichtlicht nicht
       geklappt.“
       
       26 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR André Zuschlag
       
       ## TAGS
       
   DIR Maßregelvollzug
   DIR Strafvollzug
   DIR Gustl Mollath
   DIR Berlin
       
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