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       # taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Hier sind auch die Poeten am Ball
       
       > Real, Atlético, Barça und Sevilla: Die Dominanz spanischer Vereine hat
       > strukturelle Gründe. Da hilft den anderen nur Demut und Studium.
       
   IMG Bild: Und am Ende gewinnen immer die Spanier
       
       Doch. Es gab eine Zeit, in der spanische Klubs keine Rolle spielten.
       Zwischen 1966 und 1979 gewannen sie keinen einzigen der damals drei
       Europapokale. Auch die nächsten zwei Jahrzehnte gehörten anderen – erst
       Engländern, dann Italienern. Im laufenden Millennium jedoch erlebt der
       spanische Fußball eine historische Dominanz. Wenn am Samstagabend das
       Finale zwischen Real und Atlético Madrid abgepfiffen wird, haben spanische
       Vereine seit 2000 je acht Mal die Champions League und die Europa League
       gewonnen.
       
       Real und der FC Barcelona können sich die besten Spieler der Welt leisten,
       aber es gibt auch das weniger betuchte Atlético und den fünffachen
       Europa-League-Champion Sevilla. Alle miteinander haben sie die Hegemonie in
       den letzten drei Jahren in schon fast absurde Sphären erhoben. Nicht nur
       gingen alle sechs Europapokale nach Spanien, von insgesamt 21 Startern sind
       in diesem Zeitraum nur fünf von nicht-spanischen Teams hinausgeworfen
       worden.
       
       Fragt man die Älteren, sagen sie, dass Johan Cruyff eine große Rolle
       spielte für den Wandel zum Fußballland Nummer eins. Sein spektakuläres
       „Dream Team“ in Barcelona (1988–1996) verankerte wie zuvor schon in
       geringerem Maße die „Quinta del Buitre“ um Emilio Butragueño bei Real
       Madrid die Liebe zum guten Spiel in einer Nation, deren Mannschaften vorher
       oft eher durch rustikale Gangart aufgefallen waren.
       
       Die neue Ästhetik auf dem Rasen wurde begleitet von der im hispanischen
       Sprachraum geläufigen Poesie in der Beschreibung. Es vertiefte sich eine
       Religion des Fußballs, identitätsstiftend für ein nach Bürgerkrieg und
       Diktatur politikmüdes Land mit seinen enormen nationalen Diversitäten.
       
       ## Hingabe zu ihrem Beruf
       
       Das hohe Niveau der Fußballbetrachtung ist ein nicht zu unterschätzender
       Faktor – es markiert das Terrain, auf dem gearbeitet wird. Die Kompetenz
       ist auf alle Ebenen durchgesickert. Kein europäisches Land hat mehr Trainer
       mit einer Uefa-A-Lizenz, keines so viele gut ausgebildete Spieler mit
       Hingabe zu ihrem Beruf und einem Gefühl für das Privileg, ihn ausüben zu
       dürfen.
       
       Die Wirtschaftskrise schärfte dieses Bewusstsein noch. Sie mag auch
       insofern ein Vorteil gewesen sein, als weniger Spieler von außen eingekauft
       wurden. Der Legionärsanteil in der Primera División ist mit 38 Prozent so
       gering wie in keiner anderen der großen europäischen Ligen.
       
       Bei den Spitzenmannschaften ist das natürlich anders. Aber sie wären nicht
       so gut, würden sie nicht auch im Liga-Alltag von intelligenten Teams
       gefordert, die europäische Spiele im Vergleich als einfach erscheinen
       ließen. Der spanische Siegeszug ist nicht zuletzt einer der Ideen, und wie
       immer in solchen Fällen hilft den anderen nur: Demut und Studium.
       
       Wohl kein Zufall, dass die einzigen deutschen Trainer, die in der letzten
       Dekade internationale Titel gewannen – Joachim Löw und Jupp Heynckes –
       immer nach Spanien geschaut haben. Vielleicht auch kein Zufall, dass ein
       Bundesliga-Tabellenzweiter Borussia Dortmund, dessen Manager behauptet, „in
       wohl jedem anderen Land hätten wir in der Liga ganz oben gestanden“, am
       Ende nicht mal in die Nähe des Europa-League-Titels kommt. Aber Michael
       Zorc ist wohl entschuldigt: In Deutschland laufen die Spiele der
       maßgeblichen Liga Europas ja nicht mal im TV.
       
       28 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Florian Haupt
       
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