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       # taz.de -- Pathos und Protest: Geschichte wird gemacht
       
       > Gleich an vier Orten in Europa nutzten Spitzenpolitiker und Demonstranten
       > am Wochenende einschneidende historische Ereignisse, um ihre Politik zu
       > rechtfertigen.
       
   IMG Bild: Umarmung vor Gräbern: François Hollande und Angela Merkel in Douaumont
       
       KARVES/ISTANBUL/BERLIN/VERDUN taz/ap/dpa | Wie gedenkt man wichtiger
       historischer Ereignisse? In verschiedenen Teilen Europas begingen Staats-
       und Regierungschefs ebenso wie hohe Geistliche am Wochenende eine Reihe
       nationaler Gedenktage. Alle bemühten sich dabei, die Geschichte zum
       Kronzeugen ihrer eigenen Ansichten zu machen, um daraus eine Legitimation
       für ihr gegenwärtiges politisches Verhalten abzuleiten.
       
       Gleich dreimal ging es darum, die eigene nationale Identität mithilfe
       längst vergangener Ereignisse zu stärken. Nur einmal stand die Versöhnung
       zwischen Nationen trotz ihrer blutigen Geschichte im Mittelpunkt. Allen
       vier Veranstaltungen war das Bemühen gemeinsam, die jeweilige nationale
       Geschichte in den Dienst der Politik zu stellen. Ob hohle Blasen des
       historischen Pathos oder doch die hehren Ziele nationaler Verständigung am
       Ende stärker wirken?
       
       ## Putin findet die Moral
       
       Der russische Präsident Wladimir Putin hat am Samstag die autonome
       Mönchsrepublik am heiligen Berg Athos in Nordgriechenland besucht. Bei
       seiner Ankunft wurde Putin von 20 Äbten und 20 Mönchen willkommen geheißen.
       „Hier auf Berg Athos wird großartige und wichtige Arbeit auf Grundlage
       moralischer Werte geleistet“, sagte Putin und dankte den Mönchen. Auf Athos
       ist die Anwesenheit von Frauen grundsätzlich verboten. Anlass für Putins
       Besuch ist die Feier zum 1.000. Jahrestag der Ansiedlung russischer Mönche
       auf Athos, weshalb auch das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche,
       Patriarch Kyrill I., in der Region weilt.
       
       ## Erdoğan feiert den Sultan
       
       Zehntausende Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan haben
       in Istanbul die Feier zum 563. Jahrestag der Eroberung des christlichen
       Konstantinopel durch die islamischen Osmanen begangen. Sowohl Erdoğan als
       auch Ministerpräsident Binali Yıldırım wurden zu der Veranstaltung
       erwartet. Die Massenkundgebung ist eine Prestigeveranstaltung des
       türkischen Präsidenten, der gern an die glorreiche Zeit der Osmanen
       erinnert. Auf dem Programm standen eine Janitscharen-Darbietung und eine
       Flugschau der Luftwaffe. Die Elitetruppen der Janitscharen stellten zur
       Zeit der Osmanen die Leibwache des Sultans.
       
       ## Merkel und Hollande am Schlachtfeld
       
       Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Kämpfe bei Verdun im Ersten Weltkrieg
       als eine der schrecklichsten Schlachten der Menschheit bezeichnet.
       Gemeinsam mit Frankreichs Präsident François Hollande gedachte sie am
       Sonntag der Opfer. Hollande pries Verdun als „Stadt des Friedens“. 1916
       hatten sich deutsche und französische Soldaten bei Verdun zehn Monate lang
       bekämpft. Mehr als 300.000 französische und deutsche Soldaten fielen.
       „Verdun ist eine Stadt, die das Schlechteste repräsentiert, als Europa
       verlorenging, und zugleich das Beste“, sagte François Hollande mit Blick
       auf die deutsch-französische Freundschaft.
       
       ## Deutschtürken gegen Armenien-Resolution
       
       In Berlin protestierten am Samstag türkische Verbände gegen die geplante
       Resolution des Bundestags zur Verurteilung der Massenmorde an den Armeniern
       im Ersten Weltkrieg. Rund 1.000 Menschen zogen zum Brandenburger Tor. „Der
       Bundestag ist nicht zuständig! Parlamente sind keine Gerichte!“, hieß es
       auf Transparenten. Viele Demonstranten schwenkten türkische Flaggen. „Wir
       haben niemanden umgebracht“, sagte eine Teilnehmerin. Bei der
       Armenierverfolgung durch das Osmanische Reich kamen etwa 1,5 Millionen
       Menschen ums Leben. Die Türkei erkennt die Verantwortung für die Tat bis
       heute nicht an.
       
       29 May 2016
       
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