# taz.de -- Kolumne Die Couchreporter: Es könnte so einfach sein
> Dass Caitlyn Jenner bei „Transparent“ mitspielen soll, gefällt der
> LGBT-Community nicht. Zu recht. Aber die Welt ist eben nicht reflektiert
IMG Bild: „Nennt mich Caitlyn“: Jenner auf dem Titel der „Vanity Fair“
Darüber, dass „Looking“ nach zwei Staffeln abgesetzt wurde, komme ich nicht
hinweg. Die HBO-Serie handelt von drei schwulen Freunden: Patrick, Augustín
und Dom. Und davon, was man eben so macht: daten, nicht daten, unglücklich
darüber sein, wen man datet, traurig darüber sein, dass man den nicht mehr
datet. Das Übliche.
Aber was viel wichtiger ist: Alle, wirklich alle sind wahnsinnig liebevoll
und reflektiert. Ich wünschte, die Menschen wären so, ich wünschte ich wäre
so. Klar, man würde streiten und rumzicken und sich gegenseitig
enttäuschen, aber man würde sich nie aus den Augen verlieren, weil am Ende
einer mit reumütigem Blick vor der Tür steht und sich entschuldigt. Selten
war mir so warm ums Herz. Vor allem nicht im echten Leben.
Das mit dem Vertragen ist in vielen Serien so. Wäre auch schwer, eine
Geschichte weiterzuerzählen, wenn die Charaktere nichts mehr miteinander zu
tun haben wollen. Außer natürlich bei „Game of Thrones“. Aber da streitet
man nicht, da bringt man sich um.
„Transparent“ ist auch so verständnisvoll. Maura, ehemals Mort Pfefferman,
versucht als Trans*frau mit sich selbst, ihrer Familie und dem Leben
klarzukommen. Mit einer ziemlich stereotypen jüdisch-amerikanischen Familie
im Übrigen. Keine Ahnung, warum das wichtig war.
## Sehr viel warmes Gefühl
Vor allem diesen Dreh in der zweiten Staffel habe ich nicht kapiert.
Plötzlich bekommt Ali Pefferman, die lesbische Tochter, Flashbacks, sieht
ihre Großmutter, wie sie ihren queeren Bruder an die Nazis verliert. Kommt
ein bisschen so rüber, als sei Queersein vererbt. Schwierige These.
Aber abgesehen davon: Sehr viel wohlig warmes Gefühl beim Gucken, weil alle
so offen, so tolerant und aufgeschlossen sind. Mein gesellschaftliches
Ideal ins Serienformat gebannt.
Immerhin: „Transparent“ wird fortgesetzt. Die dritte Staffel ist in Arbeit.
Und zwar mit einer Rolle für Caitlyn Jenner, ehemals Bruce Jenner,
Zehnkämpfer, zierte im Juni 2015 das Cover der Vanity Fair. Seither in dem
Reality-Serienformat „I am Cait“ zu sehen.
„Transparent“-Produzentin Jill Soloway bekam ordentlich Dresche für ihre
Ankündigung. Denn die reale Cait ist nicht das Rolemodel, das sich die
LGBTQ-Community wünscht. Sie ist nicht nur ziemlich rich und
außerordentlich privilegiert. Sie unterstützt auch die Republikaner, sagt
Sätze wie diesen über Trump: „I think he would be very good for women’s
issues.“ Well.
## Aufklärungsleistung
Sieht so aus, als könnte man sich nicht aussuchen, wer es zum
Posterboy/girl* einer Bewegung schafft. Das ist wie mit Attila Hildmann und
den Veganern. Der Typ hat Unmengen von Followern und vermutlich mehr für
die Akzeptanz der veganen Lebensweise in Deutschland getan, als irgendwer
sonst. Aber er redet eben auch den Pegidisten das Wort.
Frage: Ist die Aufklärungsleistung eines/r* Einzelnen noch etwas Wert, wenn
er oder sie oder * ein Arschloch ist?
Ich würde auf jeden Fall sehr gerne mal eine LGBTQ-Serie sehen, die sich
mit den Härten des realen Lebens auseinandersetzt. Man sagt doch immer,
Serien seien so ungemein progressiv und brächten den gesellschaftlichen
Wandel voran.
Nur kuschelig, reflektiert, vergebend und liebevoll wird das dann nicht.
Weil die Welt nicht so ist. Shit, gucke ich das dann?
2 Jun 2016
## AUTOREN
DIR Marlene Halser
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