URI: 
       # taz.de -- Antikohleproteste „Ende Gelände“: Eskalation in der Lausitz
       
       > Bei den Protesten haben unter anderem Neonazis Demonstranten angegriffen.
       > Dabei wurden auch Autoreifen zerstochen.
       
   IMG Bild: Die Blockade wird auch am Sonntag fortgesetzt
       
       Welzow taz | So schnell kann sich die Lage ändern: Nachdem
       Anti-Kohle-Demonstranten zwei Tage lang froh waren, bei ihren
       Protestaktionen in der Lausitz kaum Polizei gesehen zu haben, brauchten sie
       plötzlich selbst Polizeischutz. In der Lausitz, wo seit dem Freitag
       tausende Menschen die Zufahrtswege zu einem Kohlekraftwerk blockieren, ist
       die Lage in der Nacht eskaliert. Immer wieder bedrohten Gruppen von
       Anwohnern und Neonazis Demonstranten.
       
       Am Samstagabend hatten sich zunächst rund 500 Anwohner, Kohlearbeiter und
       Neonazis am Fuße einer Gleisbrücke versammelt, um gegen eine Gleisbesetzung
       und eine vorherige Kraftwerksbesetzung zu demonstrieren. Hunderte
       Anti-Kohle-Aktivisten hatten zuvor das innere Kraftwerksgelände gestürmt
       und auch an Eingangstüren gerüttelt. Seit spätestens Samstagmittag ist das
       Kohlekraftwerk „Schwarze Pumpe“ aufgrund verschiedener Gleisbesetzungen
       komplett von der Kohlezufuhr abgeschnitten. Es musste seine Leistung
       bereits deutlich reduzieren.
       
       Auf der Gleisbrücke, einem zentralen Schienenknoten, um das Kraftwerk zu
       beliefern, hatten mehrere hundert Anti-Kohle-Aktivisten zuvor die Schienen
       besetzt. Als Gegendemonstranten am Abend versuchten, das Gleisbett zu
       stürmen, kam es laut Augenzeugenberichten zu Attacken und
       Handgreiflichkeiten. Immer wieder riefen die Gegendemonstranten unter
       anderem „Scheiß Hippies“ und „Verpisst Euch“. Ein Mob von einigen hundert
       Menschen attackierte unterdessen im Umfeld der Gleisblockade Passanten und
       Fahrzeuge. Erst als die Polizei einschritt, konnten die Gruppen laut
       Augenzeugenberichten von einander getrennt werden.
       
       Via Facebook war zuvor zu der Gegendemonstration aufgerufen worden. Dort
       war zu lesen: „Wir leben von der Kohle und nicht vom grünen Märchen.“ In
       dem Aufruf hieß es: „Wir lassen uns nicht von Zugereisten die ganze Lausitz
       kaputt trampeln. Jetzt liegt es an uns Sprembergern, hier einmal über alle
       sonstigen Grenzen hinweg zusammen zu stehen.“ Augenzeugen berichten, dass
       die Menge schließlich aus Anwohnern, Neonazis, Gewerkschaftern und
       Vattenfall-Mitarbeitern bestanden haben soll, die teils direkt von der
       Schicht aus dem Kraftwerk kamen.
       
       ## Bergbaufreundliches Terpe
       
       In der Gruppe wurden auch mindestens ein Dutzend Fahnen der
       Bergbaugewerkschaft IG BCE geschwenkt, in der viele Kohlearbeiter
       organisiert sind. Deren Arbeitsplätze sind vor dem Hintergrund der
       beschlossenen Energiewende bedroht. In der Lausitz hängen zahlreiche
       Arbeitsplätze an der Kohleindustrie. Die IG BCE distanzierte sich noch in
       der Nacht von Neonazis und Faschisten. Über den Twitter-Account der
       Gewerkschaft hieß es, Neonazis könnten die Fahnen entwendet haben, um die
       IG BCE zu diskreditieren.
       
       Nachdem sich die Lage rund um das Kraftwerk gegen Mitternacht beruhigt
       hatte, kam es im Verlauf der Nacht zu zahlreichen weiteren Attacken auf
       Demonstranten. In der Ortschaft Terpe, wo Demonstranten in den letzten
       Tagen eine Mahnwache gehalten hatten, wurden nach Angaben des Bündnis'
       „Ende Gelände“ Demonstranten angegriffen, der Pavillon zerstört und
       Fahrräder geworfen. Die Demonstranten sollen daraufhin die Flucht ergriffen
       haben. Die Ortschaft Terpe bezeichnet sich auf ihrem Ortsschild als
       bergbaufreundlich.
       
       Verschiedene Gruppen von Demonstranten, die in der Nacht zu Fuß auf dem Weg
       zurück in das Protestcamp der Kohlegegner waren, berichten davon, bedroht
       und bedrängt worden zu sein. Offenbar waren Kohlebefürworter in der Nacht
       mit Autos im Landkreis unterwegs, um Kleingruppen aufzusuchen und zu
       bedrohen. Meist blieb es hier bei Bedrohungen und Beschimpfungen. Einem
       Anti-Kohle-Demonstranten wurden dagegen die Reifen seines Fahrzeuges
       zerstochen. Auch das Fahrzeug der taz, das als solches zu erkennen war,
       wurde von einem Mob bedrängt. Die Polizei verhinderte, dass es zu Schäden
       kam. Später versuchte einer der Fahrer eines Autos mit lokalem Kennzeichen,
       das taz-Fahrzeug von der Straße abzudrängen.
       
       Unterdessen hielten die Kraftwerkblockaden auch am Sonntagmorgen weiterhin
       an. Anti-Kohle-Aktivisten wollen damit bewirken, dass der Stromkonzern
       Vattenfall den Betrieb des Kraftwerks „Schwarze Pumpe“ vorübergehend
       einstellen muss. Wie lang die Kohlevorräte im Kraftwerksgelände noch
       reichen, ist unklar. Experten gehen jedoch davon aus, dass die Blockaden
       den Kraftwerksbetrieb durchaus in die Knie zwingen könnten. Derzeit läuft
       das Kraftwerk bereits auf sehr reduzierter Leistung.
       
       15 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
   DIR Martin Kaul
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Ende Gelände!
   DIR Braunkohle
   DIR Lausitz
   DIR IG BCE
   DIR Vattenfall
   DIR Polizei Sachsen
   DIR Kohle
   DIR Kohleindustrie
   DIR Braunkohle
   DIR Vattenfall
   DIR Schwerpunkt Ende Gelände!
   DIR Schwerpunkt Ende Gelände!
   DIR Schwerpunkt Ende Gelände!
   DIR Schwerpunkt Ende Gelände!
   DIR Schwerpunkt Ende Gelände!
   DIR Schwerpunkt Ende Gelände!
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kommentar Klimaprotest: Braunkohle-Fans drehen völlig durch
       
       Die sächsische CDU beschimpft friedliche Klimaaktivisten als „Terroristen“.
       Wer braucht da noch Rechtspopulisten?
       
   DIR Kohleproteste in der Lausitz: Stürmung mit Nachhall
       
       Die Polizei ermittelt gegen hunderte Blockierer. Zumeist erfolglos: Viele
       von ihnen konnten nicht eindeutig identifiziert werden.
       
   DIR SPDler über Anti-„Ende Gelände“-Protest: „Keine Neonazis wahrgenommen“
       
       Tausende haben am Wochenende in der Lausitz gegen Kohle protestiert. Dabei
       hätten viele gegen das Gesetz verstoßen, meint SPD-Mann Ulrich Freese.
       
   DIR „Ende Gelände“-Protest in der Lausitz: Erfolg für die Antikohle-Logistiker
       
       Tausende haben Tagebauanlagen und ein Kohlekraftwerk in der Lausitz
       besetzt. Sie kamen mit Dixi-Klos und Shuttle-Service.
       
   DIR Kommentar Proteste gegen Braunkohle: Um Vattenfall wird es einsam
       
       Seit der Entscheidung, sich aus der Lausitz zurückzuziehen, hat der
       Energiekonzern kaum noch Freunde. Das zeigt sich auch bei den Protesten an
       Pfingsten.
       
   DIR Antikohleprotest in der Lausitz: Das war doch keine Straftat
       
       Umweltaktivisten beenden offiziell ihre Blockaden in der Lausitz. Die
       Staatsanwaltschaft schaut locker auf die Protestaktionen.
       
   DIR Protestaktion „Ende Gelände“: Dem Kraftwerk geht die Kohle aus
       
       Tausende Demonstranten schneiden in der Lausitz ein Kraftwerk vom Nachschub
       ab. Betreiber Vattenfall muss es herunterfahren.
       
   DIR Protestaktion „Ende Gelände“: Schienen zum Kraftwerk blockiert
       
       In der Lausitz haben Aktivisten ein Kraftwerk umringt, um die Versorgung zu
       stoppen. An mehreren Stellen sind Zufahrtsgleise besetzt.
       
   DIR Kommentar Protestaktion „Ende Gelände“: Jeder Schritt zählt
       
       Die Kohleproteste in der Lausitz haben ihr Ziel erreicht. Der Tagebau steht
       still. Dabei hat der wichtige Part gerade erst begonnen.
       
   DIR Protestaktion „Ende Gelände“: Ausblick vom Bagger
       
       Über 1.500 Menschen erreichten die Förderanlagen praktisch ohne Widerstand.
       Die Besetzung ist aber noch nicht vorbei.
       
   DIR Protestaktion „Ende Gelände“: Ganz Europa in der Lausitz
       
       Die internationale Umweltbewegung hat wieder ein Zentrum. Was 2007
       Heiligendamm war, das ist heute der Kampf gegen die Kohle.