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       # taz.de -- Neo-Krautrock aus der Schweiz: Die schwierigste Sache der Welt
       
       > Eine Züricher Band wagt den „Spagat der Liebe“. Klaus Johann Grobe heißt
       > das Duo. Neo-Krautrock, schön romantisch und tanzbar.
       
   IMG Bild: Dani Bachmann und Sevi Landholt beim Landaufenthalt
       
       Als wäre Monty Python in einen Fliegenpilz getreten, so mutet das Cover der
       neuen Platte der Schweizer Band Klaus Johann Grobe an. Psychedelisch wabern
       rote und orangefarbene Flächen. Das passt zu den sich ineinanderschiebenden
       Synthiemelodien mit den motorischen Beats in den zehn Songs, die sich um
       die wohl schönste Sache der Welt drehen.
       
       „Spagat der Liebe“ heißt das neue Album treffsicher und
       bedeutungsschwanger. Es folgt auf „Im Sinne der Zeit“, dem Debüt des Duos
       (2014). Das zierte nicht nur grafisch ein kälteres Farbspektrum, sondern
       thematisierte auch etwas, das die beiden immer wieder ironisch als
       „Zeitgeist“ aufriefen. Dieses Wort ist für die Band allerdings eher ein
       bedeutungsloser Platzhalter gewesen – auch für halbgare Interpretationen
       ihres Retro-Sounds. Klar, dass der „Zeitgeist“, was auch immer das sein
       soll, nicht ganz so fröhlich stimmt wie das zentrale Thema des neuen
       Albums.
       
       „Es hat sich persönlich extrem viel getan in den eineinhalb Jahren.
       Irgendwie war das alles so leicht plötzlich. Und das merkt man natürlich“,
       meint Sevi Landolt, der für die Tasteninstrumente in der Band zuständig
       ist.
       
       ## Konzept aus Versehen
       
       Die Songtitel „Liebe am Strand“, „Heut Abend nur“, „Pure Fantasie“ und ihre
       Texte unterstreichen, was der Albumtitel suggeriert: Die zehn Songs tummeln
       sich im Feld der Liebe. Ein Konzeptalbum ist es aber nur aus Versehen
       geworden: „Ja, tatsächlich ist das Thema etwas omnipräsent. Wir haben die
       Texte aber nicht unter dem Standpunkt der Liebe geschrieben, sondern erst
       nachdem wir sie eingesungen haben, gemerkt, worum es uns da geht.“
       
       Dani Bachmann (Schlagzeug und Gesang) und Sevi Landolt (Synthesizer, Orgel
       und Gesang) fanden sich 2013 als Klaus Johann Grobe im Zürich zusammen.
       Eigentlich wollten die beiden nur eine EP aufnehmen, so lange Konzerte
       spielen, bis die wenigen gepressten Exemplare verkauft waren und sich dann
       wieder anderen Projekten widmen.
       
       Aber das positive Feedback kam ihnen in die Quere. Vor allem in
       Großbritannien verliebte man sich in die Weltraumorgel und den
       spacig-psychedelischen Krautrocksound des Duos. Der Zuschlag für das
       Debütalbum ging nach Chicago – „Im Sinne der Zeit“ kam beim dort ansässigen
       Indie-Label Trouble in Mind heraus.
       
       Mit dem zweiten Album touren sie nun auch in den USA, begleiten demnächst
       Unknown Mortal Orchestra, spielen auf großen Festivals. Dem Erfolg im
       Ausland steht dabei die Stille in ihrem Heimatland Schweiz gegenüber. Vor
       allem mit dem Hochdeutsch würde es da einfach nicht so gut laufen: „Ich
       habe das Gefühl, dass viele Schweizer und Schweizerinnen das irritierend
       finden, wenn nicht auf Englisch gesungen wird. Es ist ein bisschen
       verkrampft.“ Plötzlich verstehen die Landsleute die Texte und finden das
       verrückter als die schlingernden Melodien der analogen Synthesizer.
       
       Diese stehen nun auch auf dem zweiten Album im Mittelpunkt. Jene auf dem
       Debüt so präsente Orgel ist nicht mehr allein tonangebend. Dem Moog-Gerät
       stellt sich ein Roland-String-Synthesizer an die Seite und hat sich
       schließlich in den Vordergrund gespielt: „Wir wurden ein bisschen süchtig
       danach. Und mussten uns dann selber bremsen mit diesem Gerät.“
       
       ## Drehen an den Effektknöpfen
       
       Dieser Synthesizer eröffnet dem Sound neue Türen. Er erweitert das Spielen
       mit Klängen, die den späten sechziger und frühen siebziger Jahren
       zugeordnet werden: „Wenn dieser Referenzsound, der aus anderen Kontexten
       sehr bekannt ist, nun in unserer Musik auftaucht, ergibt das Sinn.“
       
       Klaus Johann Grobe bewegen sich nun weiter Richtung Disco und Funk. Das
       Schlagzeug ist treibend wie zuvor, wird unterstützt von einer
       Synthie-Bassline. Auf der Bühne übernimmt diese Aufgabe ein Bassist. Auch
       wenn Dani Bachmann und Sevi Landolt wieder nur zu zweit im Studio waren,
       klingt das zweite Album komplexer aufgebaut und reicher, was die Wahl der
       Instrumente angeht.
       
       Wabernd nimmt einen der elektrifizierte Sound der beiden Synthesizer ein.
       Landolt dreht fleißig an den Effektknöpfen. Das wiegt die Hörerin mit
       Assoziationen an sepiagefärbte Rummelplätze zunächst in Sicherheit. Und
       doch drängt dieser Sound geradewegs auf die Tanzfläche. In „Geschichten aus
       erster Hand“ schiebt sich eine Synthesizer-Melodie in die andere: „Come on,
       Baby, wir wollen tanzen“, heißt es dazu. „Heut Abend nur“ verzichtet
       komplett aufs sonst dominante Schlagzeug und bildet die mollig verträumte
       Ausnahme im Setting der tanzbaren Liebeslieder. In seiner Reduktion ist es
       auch der Lieblingssong der beiden Grobes.
       
       ## Ist das ernst?
       
       Neu sei in der erweiterten Mixtur eigentlich nur ein Querflötist, der die
       zweite Hälfte des Songs „Liebe am Strand“ in jazzige Disco-Gefilde bringt.
       Zurück auf den Boden holt dabei der Gesang, den sich die beiden Grobes nach
       wie vor teilen und mit viel Hall belegen. Doch das elektronisch erzeugte
       Echo reicht ihnen nicht, wie auf dem Vorgänger werden gern die letzten
       Silben manuell verhallt: „Es bleibt die Zeit, wir sind vereint, die Lust am
       Frust, sie zeigt sie breit-eit-eit-eit.“
       
       Da ist die Rede von der „Augenweid'“ am Bahnsteig, vom „Frönen der
       Illusionen“, was dem lyrischen Ich in der Sommernacht „allerhand“ scheint
       und vom musikalischen, fast dadaistischen Humor der Schweizer Band genauso
       zeugt wie von ihrem Grenzgängertum hinsichtlich verpönter Musikrichtungen:
       „Das Album lebt von dieser Spannung, es bleibt unklar: Ist das jetzt ein
       Schlager oder ein Popsongs? Meinen die das jetzt ernst oder ist das reiner
       Witz? Das ist uns wichtig, diese Ironie, das Spielen mit diesen
       Diskrepanzen, wir erzeugen ein Spannungsfeld.“
       
       Die schönste Sache der Welt ist bekanntlich auch die schwierigste. So
       bezieht sich der Titel des Albums nicht nur auf den musikalischen Spagat
       zwischen Gegenwart und Vergangenheit, den die Band hinlegt. „Viele sprechen
       ja bei Liebe von einem Balanceakt“, sagt Sevi Landolt. „Eigentlich ist es
       für mich das pure Gegenteil. Wenn man alleine durchs Leben marschieren
       muss, ist es der viel größere Balanceakt, als wenn man das zusammen machen
       kann.“
       
       ## Durchaus melancholisch
       
       Und weil dazu immer mindestens zwei gehören, die das verstehen müssen, ist
       „Spagat der Liebe“ auch durchaus melancholisch. Letztlich geht es in den
       Texten mehr um die nostalgisch-romantische Erinnerung an Liebeserfahrungen,
       um Geschichten, die man sich davon erzählt.
       
       Songs wie „Rosen des Abschieds“ nehmen dabei nicht nur musikalische
       Traditionen auf, sondern mitunter etwas verbrauchte Bilder aus vielen
       Jahrzehnten Liebessymbolik. Dass sie sich mit solchen Texten eng an der
       Grenze zum Kitsch bewegen, ist der Band durchaus bewusst. „Die Texte wirken
       auf den ersten Blick etwas oberflächlich, aber nur, weil wir was sagen, das
       die Leute nicht unbedingt verstehen.“
       
       Tatsächlich stehen ihre Texte in einem seltsamen Kontrast zur Musik, die
       trotz aller Retroismen doch sehr nach vorne gewandt ist. Das ist das
       artistische Kunststück der Band. Nicht nur die Liebe ist eben ein Spagat:
       „Klar ist das ein Kunststück, aber Spagat kann jeder machen, so weit wie es
       eben geht.“
       
       22 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Diviam Hoffmann
       
       ## TAGS
       
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