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       # taz.de -- Die Gesellschaftskritik: Ungeduscht
       
       > Nach dem Pokalfinale wurde kein Alkohol verschwendet. Die ausgefallene
       > Bierdusche ist auch nicht dramatisch. Sie ist ohnehin ein Symbol des
       > Niedergangs.
       
   IMG Bild: Ersatzhandlung: Bayern Münchens David Alaba feierte ohne Bier zu vergießen
       
       Keine Bierdusche, tatsächlich. Nach dem Pokalsieg des FC Bayern am
       Samstagabend schütteten die Spieler ihrem Trainer kein Weißbier über den
       Kopf. Die Welt hatte zwei Tage vor dem Spiel berichtet, dass der DFB den
       Mannschaften das Ritual verboten habe. Vorbildfunktion und so. Der Verband
       dementierte zwar, dennoch wurde nicht biergeduscht.
       
       Unter Fans hatte die Meldung schon vor der Erwiderung durch den DFB
       Entsetzen ausgelöst, bei Twitter war vom „Ende des Fußballs“ die Rede.
       Rational zu erklären ist diese Reaktion allerdings nicht. Es gab
       schließlich eine Zeit vor der Bierdusche, sie ist gar nicht so lange her
       und war nicht die schlechteste.
       
       Nehmen wir das ikonografische Bild von Franz Beckenbauer, der nach dem
       WM-Sieg 1990 gedankenverloren über das Spielfeld schlenderte: Hätten
       Spieler ihre Trainer schon damals mit Bier überschüttet, wäre die Aufnahme
       nie entstanden. Beckenbauer wäre direkt nach der Siegerehrung in die Kabine
       verschwunden, um seinen klebrigen, stinkenden Anzug loszuwerden.
       
       Das heißt nicht, dass der Fußball zu diesen Zeiten keine Gewinnerrituale
       kannte. Lange Zeit war zum Beispiel kein Saisonende ohne Siegeszigarre
       vorstellbar. Pokal gewonnen, Stumpen an: Erst mit dem Aufkommen der
       Bierdusche Ende der neunziger Jahre war es damit vorbei. Wer je versucht
       hat, sich unter der Dusche eine Kippe anzustecken, wird den Zusammenhang
       verstehen.
       
       Ironischerweise ging dieser Wandel einher mit einem Austausch des
       Publikums: Die Nullerjahre waren die Dekade der modernen Fußballarenen.
       Schalensitze, überdachte Tribünen und VIP-Logen lockten Besserverdienende
       in die Stadien. Die Wende weg von der dekadenten Zigarre hin zum
       Volksgetränk Bier verschleierte also nur, dass der Fußball nicht länger dem
       einfachen Mann gehörte. So gesehen war das Ende des Fußballs für ihn nicht
       das Verbot der Bierdusche. Das Ende des Fußballs kam mit der Bierdusche.
       
       23 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Schulze
       
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