# taz.de -- Situation in syrischen Gefängnissen: NGO: 60.000 Häftlinge gestorben
> Eine Beobachtungsstelle veröffentlichte jetzt neue Erkenntnisse. Demnach
> führt direkte körperliche Folter oder Nahrungsverweigerung zu vielen
> toten Gefangenen.
IMG Bild: SyrerInnen warten auf die Freilassung von Gefangenen. Nicht alle überleben den Gefängnisaufenthalt
Beirut rtr | In Gefängnissen der syrischen Regierung sollen in den
vergangenen fünf Jahren mindestens 60.000 Häftlinge zu Tode gekommen sein.
Das teilte die oppositionsnahe Beobachtungsstelle für Menschenrechte am
Samstag mit. Von der syrischen Regierung war zunächst niemand für eine
Stellungnahme zu dem Bericht der in Großbritannien ansässigen Organisation
erreichbar. Sie beruft sich auf Quellen im syrischen Sicherheitsapparat und
eigene Berechnungen. Ähnliche Berichte hatte die Regierung von Präsident
Baschar al-Assad in der Vergangenheit stets zurückgewiesen.
Die rund 60.000 Häftlinge seien im Ergebnis direkter körperlicher Folter
gestorben oder weil ihnen Nahrung und Medikamente verweigert worden seien,
erklärte die Beobachtungsstelle. Ihre Erkenntnisse können von unabhängiger
Seite kaum überprüft werden.
Der Chef der Beobachtungsstelle, Rami Abdulrahman, sagte, die Gruppe sei
auf die 60.000 gekommen, indem sie Zahlen von Todesopfern zusammengerechnet
habe, die sie von Informanten in Gefängnissen und Sicherheitsbehörden
erhalten habe. Mehr als 20.000 Menschen seien seit 2011 allein im
Sednaja-Gefängnis bei Damaskus ums Leben gekommen. Die Beobachtungsstelle
habe den Tod von 14.456 Menschen nachprüfen können.
Bereits im Februar hatten Ermittler der Vereinten Nationen (UN) von
Tötungen in staatlichen syrischen Gefängnissen in einem großen Ausmaß
berichtet. Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat
nach den Worten des Vizedirektors für die Region Nadim Houry Kenntnis von
vielen Todesfällen in syrischen Gefängnissen. Die einzige Möglichkeit, den
genauen Zahlen auf den Grund zu gehen, bestehe darin, unabhängige Ermittler
in die Haftanstalten zu lassen, sagte er.
## Kaum internationale Aufmerksamkeit
2013 hatte ein syrischer Überläufer Zehntausende Fotos aus dem Land
geschmuggelt, die mindestens 6.786 Personen zeigten, die in Haftanstalten
gestorben seien, wie HRW im Dezember berichtete. Präsident Assad
bezeichnete die Fotos als „Behauptungen ohne Beweiskraft“ und Teil einer
Verschwörung.
Houry sagte: „Ob nun 60.000 oder 30.000, die Zahl ist auf jeden Fall
riesig.“ Dennoch gebe es kaum internationale Aufmerksamkeit.
UN-Ermittler hatten im Februar davon gesprochen, dass die Tötung von
Häftlingen auf eine staatliche Politik der Vernichtung der Zivilbevölkerung
hinauslaufe, und dies sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die
unabhängigen UN-Experten dokumentierten daneben auch Massenhinrichtungen
und Folter von Inhaftierten bei den beiden islamischen Extremistengruppen
Islamischer Staat (IS) und Al-Nusra. Auch in diesen Fällen sprachen die
UN-Ermittler von Kriegsverbrechen beziehungsweise Verbrechen gegen die
Menschlichkeit.
22 May 2016
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