URI: 
       # taz.de -- Präsidentenwahl in Österreich: High Noon in Wien
       
       > Die erste Zählung bringt keine Klarheit. Beide Kandidaten erreichen ein
       > Ergebnis um 50 Prozent. Ein verbindliches Ergebnis wird es erst am Montag
       > geben.
       
   IMG Bild: Auf diesem Bild ist der nächste Präsident Österreichs zu sehen
       
       Wien taz | Ob Österreich ein rechtsnationaler Bundespräsident erspart
       bleibt, weiß am Sonntagabend noch niemand. Der Trend sprach zwar für den
       ehemaligen Grünen-Chef Alexander Van der Bellen. Abernach Auszählung von
       über 90 Prozent der Stimmen lagen die beiden Kandidaten Kopf an Kopf.
       
       Betretene Stille herrschte im Medienzentrum der FPÖ, als Punkt 17:00 die
       Balken der ersten Hochrechnung hochschnellten. Mit dem statistisch kaum
       messbaren Vorsprung von 50,2 Prozent der Stimmen lag der rechtsnationale
       Kandidat Norbert Hofer vor seinem Rivalen Alexander Van der Bellen (49,8
       Prozent). Wenige Minuten später war der Abstand auf 50,1 zu 49,9
       geschmolzen.
       
       Nach einer halben Stunde lag bereits van der Bellen mit einem Hauch vorne.
       Die Schwankungsbreite von zwei Prozentpunkten ließ aber zunächst keine
       verlässliche Prognose zu. „Scheiße“, murmelte eine Sympathisantin. Ein
       anderer FPÖ-Anhänger hätte mit einem Vorsprung von zehn Prozent für seinen
       Kandidaten gerechnet.
       
       Erst als der ORF in einer Live-Schaltung die erste Stellungnahme von
       Generalsekretär Herbert Kickl einholte, erschallten eher bemüht
       enthusiastischeSprechchöre: „Österreich, Österreich!“. „Ich finde, das ist
       ein hervorragendes Ergebnis“ versicherte Kickl gegenüber der Presse. Es
       liege in der Natur der Sache, wenn nur mehr zwei Kandidaten im Rennen
       seien, dass es dann knapper ausgehe.
       
       ## Strache spricht von Unregelmäßigkeiten
       
       In der ersten Runde am 24. April hatte Hofer mit 35 Prozent klar von Van
       der Bellen (21 Prozent) gelegen. In den letzten Woche habe dieser wohl, so
       Kickl, „alles an Establishment zusammengekratzt“ war möglich war. Kickl gab
       sich überzeugt, dass sein Kandidat sich durchsetzt: „Das Ergebnis ist auch
       ein Sieg der Demokratie und der Glaubwürdigkeit“. Gegenkandidat Van der
       Bellen habe zuletzt auf einen „Angstwahlkampf“ gesetzt.
       
       Dann tauchte auch Parteichef Heinz Christian Strache auf, der sich über
       Unregelmäßigkeiten im Wahlkampf beschwerte und von eigenen Hochrechnungen
       berichtete, die Hofer mit 53,3 Prozent vorne hätten. Für ihn sei es „der
       bewegendste, ergreifendste und schönste Moment“ seiner Karriere. Und in
       jedem Fall ein ganz großartiger Erfolg für die FPÖ. Wenig später machte er
       sich mit seinem Stab aus dem Staub.
       
       „Eines der langweiligsten Länder Europas ist plötzlich interessant
       geworden“, schrieb The Economist über Österreich vor der
       Bundespräsidentenentscheidung. Viele hätten sich wahrscheinlich an diesem
       Wahlabend etwas mehr Langeweile gewünscht. Wer die Wahl gewonnen hat, wird
       mit letzter Sicherheit wohl erst am Montag feststehen, wenn die mehr als
       885.000 Wahlkarten ausgezählt sind. So viele Wahlberechtigte haben sich
       noch nie für die Stimmabgabe per Brief entschieden. Auch die
       Wahlbeteiligung lag trotz strahlenden Ausflugswetters mit 72 Prozent
       deutlich über den 68 Prozent vom 24. April. In die Briefwahlprognose ist
       ein deutlicher Überhang für Van der Bellen eingerechnet.
       
       22 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
       ## TAGS
       
   DIR Bundespräsident Österreich
   DIR Österreich
   DIR Norbert Hofer
   DIR Alexander Van der Bellen
   DIR Bundespräsident Österreich
   DIR Bundespräsident Österreich
   DIR Bundespräsident Österreich
   DIR Wahl Österreich
   DIR Österreich
   DIR Österreich
   DIR Bundespräsident Österreich
   DIR Wahl Österreich
   DIR Wahl Österreich
   DIR Lesestück Meinung und Analyse
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kommentar Wahl in Österreich: Aufatmen, aber nicht einknicken
       
       Fast wäre ein Rechtspopulist Präsident von Österreich geworden. Das darf
       sich nicht wiederholen. Nun sind die Demokraten gefordert.
       
   DIR Wahlverhalten in Wien: Riesenerfolg mit Vorgeschichte
       
       In Wien konnte sich Alexander Van der Bellen behaupten. In einem
       „Problemviertel“ lag er besonders weit vorne.
       
   DIR Präsidentschaftswahl in Österreich: Schulterschluss gegen die FPÖ
       
       Van der Bellen verdankt seine Aufholjagd vor allem Frauen – und der
       Unterstützung ehemaliger KonkurrentInnen um das Amt.
       
   DIR Kopf-an-Kopf-Rennen in Österreich: Rechnen, schätzen, raten
       
       Hofer und Van der Bellen liegen laut Hochrechnung – inklusive
       Briefwahl-Schätzung – gleichauf. Erst am Nachmittag soll das Endergebnis
       vorliegen.
       
   DIR Analyse der Wahl in Österreich: Ein tief gespaltenes Land
       
       Land oder Stadt, Frau oder Mann, Pflichtschule oder Studium: Das faktische
       Patt nach der Wahl zeigt, wie zerrissen Österreich ist.
       
   DIR Präsidentschaftswahl in Österreich: Zwischen Hoffen und Bangen
       
       Die AnhängerInnen des grünen Kandidaten Van der Bellen wissen nicht, ob sie
       jubeln oder auswandern sollen. Das wird wohl bis Montag so bleiben.
       
   DIR Bundespräsidentenwahl in Österreich: Endzeitstimmung statt Sommerfreude
       
       Vor allem Linksalternative sind ob eines möglichen Siegs des
       Rechtsnationalen Norbert Hofer verunsichert. Dessen Lager zeigt sich voller
       Hass.
       
   DIR Bundespräsidentenwahl in Österreich: Öko mit Heimatliebe
       
       Der Grüne Alexander Van der Bellen öffnete seine Partei für bürgerliche
       Wähler. Der ehemalige Sozi ist keiner, der polarisiert – bislang mit
       Erfolg.
       
   DIR Bundespräsidentenwahl in Österreich: Völkisch mit Fassade
       
       Norbert Hofers Parlamentsbüro ist ein Biotop für Leute, die man als
       Schnittstelle zum Neonazi-Milieu sehen kann. Er kann aber auch anders.
       
   DIR Schlacht um Wien, Schlacht um Europa: Die Lust am Zerstören
       
       In Österreich will ein Ausländerfeind zum Bundespräsidenten gewählt werden.
       Die Neue Rechte in ganz Europa fühlt sich im Aufwind.