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       # taz.de -- 17. Poesiefestival Berlin: Der Punk unter den Schreibformen
       
       > Eva Schneider nimmt das Poesiefestival zum Anlass für einen poetischen
       > Ausflug in Sachen Lyrik – die ist eben auch das: dynamisch, offen und
       > nicht starr.
       
   IMG Bild: Lesen – was auch immer! – geht überall. Und man kann nicht früh genug damit anfangen
       
       Berlin ist eine Insel für Poesie. Sie ist groß. Sie ist schön. Und sie ist
       einsam, denn die nächsten liegen viele Kilometer entfernt. Auf der Insel
       ist es jedoch überhaupt nicht einsam. Es gibt kleine und große Häuser, die
       sind alle sehr belebt. Ihre BewohnerInnen tauschen sich immerzu aus.
       Manchmal fährt einer oder eine raus aufs Meer. Dann gewinnt jemand einen
       Preis, so wie im letzten Jahr der Lyriker Jan Wagner aus Neukölln den Preis
       der Leipziger Buchmesse.
       
       Man könnte sagen, Lyrik ist die Bohème der Literaturszene. Von ihrem
       Schreiben leben, können nur ganz wenige. Auch Prosa-Autoren haben es
       schwer. Und für die LyrikerInnen ist es noch schwieriger. Warum das so ist,
       weiß keiner so genau. Es gibt keinen Grund, warum das Schöne in dieser Welt
       nicht so sehr konsumiert wird wie angeblich Praktisches, also smarte
       Touchscreen-Uhren oder ein Paar hippe Sneakers. Was also machen die
       PoetInnen dieser Stadt mit jener Ausgangssituation?
       
       Ziemlich viel. Wie Tom Bresemann zum Beispiel. Kein Verlag rede einem rein,
       deshalb sei Lyrik ein Feld, in dem man „machen kann, was man will“, findet
       er. Veröffentlicht hat der Berliner Dichter seine Lyrik aber trotzdem schon
       häufig. In Magazinen wie randnummer oder poet und als Gedichtbände. Drei an
       der Zahl sind von ihm erschienen.
       
       „Alternativ sein tut LyrikerInnen gut“, sagt Tom Bresemann auch.
       Schwarz-auf-Weiß-Anarchie also. Vielleicht ist Lyrik ja der Punk unter den
       Schreibformen. Die Szene habe eben gelernt sich selbst zu organisieren. Und
       sich gegenüber dem Markt zu emanzipieren.
       
       ## Täglich rund zehn Poesie-Veranstaltungen
       
       Die Berliner LyrikerInnenszene ist riesig im Vergleich zu anderen Städten.
       Daniela Seel, von der das Gedicht auf dieser Seite stammt, ist dort schon
       jahrelang aktiv. Die Autorin schreibt in Berlin Lyrik, sie verlegt hier
       Lyrik und sie findet, dass in dieser Stadt eben viel los ist in Sachen
       Poesie.
       
       Kleiner Beweis: Unter rund zehn Poesie-Veranstaltungen können die
       BerlinerInnen wählen – täglich. Das ist schon ordentlich. Meistens finden
       die dann in Häusern wie dem LCB, der Lettrétage oder bei Initiativen wie
       KOOK und Lesebühnen wie Kabeljau & Dorsch sowie in der Literaturwerkstatt
       statt.
       
       Weltweite und europäische Projekte mit Dichtenden auf verschiedensten
       Sprachen gibt es in Berlin natürlich ebenso. Dass hier LyrikerInnen
       zusammen kommen, schaffe einen Synergieeffekt, meint Tom Bresemann. Er hole
       sich immer wieder Impulse ab. 2006 gründete er gemeinsam mit Moritz Malsch
       und Katharina Deloglu die Lettrétage. Das Haus am Mehringdamm ist seit
       Jahren eine wichtige Bühne unter anderem für die freie Literaturszene und
       zieht viele Strippen, was Vernetzung angeht. „Draußen sein“ müsse man als
       LyrikerIn, findet Bresemann.
       
       Das Poesiefestival der Literaturwerkstatt ist so ein „Draußen“. „Kein
       Show-Off“ sei das, findet Daniela Seel. Hier werde nicht nur konsumiert,
       sondern auch gemeinsam gearbeitet. Werkstattgespräche, poetologische
       Diskussionen, gegenseitiges Übersetzen beim „Versschmuggel“ – Lyrik ist
       eben auch das: dynamisch, offen und nicht starr.
       
       3 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eva Schneider
       
       ## TAGS
       
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   DIR Georg-Büchner-Preis
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   DIR Joachim Gauck
       
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