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       # taz.de -- Geplantes Heim mit Zwangsmaßnahmen: Fesseln inklusive
       
       > In einem Papier über ein geplantes Kinderheim erklärt Hamburg
       > Zwangsmaßnahmen für rechtens – auch die Fixierung durch Klettbänder.
       
   IMG Bild: Vorbild Feuerbergstraße: Auch im geplanten Heim sollen Fesselungen möglich sein
       
       Hamburg taz | Hamburg und Bremen planen ein Heim. Doch während Bremen
       forsch voranschreitet und im April bekannt gab, dass die [1][„Burg“ als
       2.000-Quadratmeter-Neubau] schon im Herbst 2017 eröffnen soll, hielt sich
       Hamburg bisher auffallend zurück. Dabei hat die Elbe-Stadt eigens einen
       Heim-Träger gegründet und ist für das Inhaltliche zuständig. Doch nun wurde
       über den Landesjugendhilfeausschuss (LJHA) ein „Eckpunkte-Papier“
       öffentlich.
       
       „Wir kommentieren das Papier nicht“, sagt Sozialbehörden-Sprecher Marcel
       Schweitzer. Es handele sich um ein erstes Papier aus dem Jahr 2013, das im
       Hamburger LJHA bereits im April 2014 „intern diskutiert“ worden sei.
       Gleichwohl räumt er ein: „Das Eckpunktepapier wird Hamburgs Grundlage für
       die Gespräche mit Bremen.“
       
       Das seit 26. Mai in der [2][Transparenzdatenbank als Anhang eines
       Protokolls] publizierte Papier liest sich so, als ob die Behörde an die
       Praxis der Heime Feuerbergstraße und Haasenburg anknüpft. So heißt es zum
       Beispiel beim Punkt „Sicherheitskonzept“: „Zwangsmaßnahmen sind nur zur
       Durchsetzung des Erziehungsrechts zulässig.“ Sie sollten zwar „keinen
       Strafcharakter haben“, aber „der Neutralisierung von Fehlverhalten dienen“.
       
       Schon diese Sätze erzeugen Diskussionsbedarf, legen sie doch nahe, dass
       Eltern Zwangsmaßnahmen erlaubt sind. Und dass es „Fehlverhalten“ von
       Kindern gibt, das diesen Zwang rechtfertigt.
       
       Üblicherweise dient ein Sicherheitskonzept nur der Abwehr von Selbst- oder
       Fremdgefährdung. Der Begriff „Fehlverhalten“ ist viel weiter gefasst und
       lässt mehr Deutungsspielraum zu. Etwa, dass mit Zwang in Form von eines
       Griffs an die Schulter reagiert werden dürfte, wenn Betreute nicht am
       verbindlichen Tagesablauf teilnehmen. So zu lesen im Abschlussbericht des
       [3][Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Feuerbergstraße] (PUA), der
       von 2005 bis 2008 die Zustände in dem damals von Hamburger Landesbetrieb
       Erziehung (LEB) betriebenen Heim untersuchte.
       
       Da „Zwangsmaßnahmen“ mit Grundrechtseingriffen verbunden seien, so weiter
       im Eckpunkte-Papier, sei es „empfehlenswert“, eine Übertragung des
       Erziehungsrechts von den Sorgeberechtigten „auch im Hinblick auf
       Zwangsmaßnahmen vorzunehmen“. Sprich: Eltern sollen dem Heim eine
       Zustimmung erteilen.
       
       Dabei ist strittig, ob Eltern das dürfen. Die Behörden-Autoren glauben sich
       im Recht. „Nicht vom Erziehungsrecht gedeckt“, so schränken sie ein, seien
       Maßnahmen, die verhindern sollen, dass ein Kind bei Aufenthalten außerhalb
       des Heims wegläuft. Das „erkennbare Tragen von Klettbändern“ zum Beispiel,
       stelle außerhalb des Heims eine „entwürdigende Maßnahme“ dar. Innerhalb
       eines Autos aber sei dies ausnahmsweise zulässig, etwa, wenn die Gefahr
       bestehe, dass das Kind ins Fahrgeschehen eingreift.
       
       Nun kann man diese Gefahr bei einem jungen Menschen, der gegen seinen
       Willen in ein Heim gefahren wird, immer unterstellen. Die taz fragte, ob
       die Klettfesseln stets bei Autofahrten angelegt werden sollen. Die Frage
       wird von der Behörde nur „grundsätzlich“ beantwortet. „Klettbänder werden
       keinesfalls regelhaft eingesetzt“, sagt Schweitzer. Wenn aber andere
       Maßnahmen zur Beruhigung einer Situation fehlschlügen, und die Gefahr
       bestünde, dass der Betreute sich oder andere verletzt, könnten Klettbänber
       „als letztes Mittel erforderlich sein“.
       
       Die Auskünfte legen die Frage nahe, ob die Fesseln nicht nur im PKW,
       sondern auch im Heim eingesetzt werden sollen, wie es schon einmal Praxis
       war. Der Skandal um die Feuerbergstraße, mit dem sich besagter PUA
       beschäftigte, wurde durch Berichte zweier Jungen ausgelöst, die sich über
       Misshandlung beschwerten. Man habe ihm die Füße „mit Klettband verschnürt“,
       sagte ein 15-Jähriger damals.
       
       Klettbänder waren Bestandteil der Feuerbergstraße, das erwähnt der LEB in
       seinem [4][Abschlussbericht]. Sofern Mitarbeiter in Ausnahmesituationen
       nicht in der Lage gewesen wären, einen Jugendlichen mit Handgriffen zu
       halten, wurden „kurzfristig Klettbänder eingesetzt“, heißt es dort. Mit
       denen wurden „die Hände und ggf. zusätzlich auch die Füße fixiert“. In
       einer Dienstanweisung hieß es: „Jede Gruppe hält ein Klettband für den
       Notfall bereit.“
       
       Der von damals von der CDU dominierte PUA führt in seinem Bericht
       zahlreiche Klettband-Einsätze auf. Er fand die Fesselung nur skandalös,
       wenn diese von Security-Männern ohne Beisein eines Pädagogen geschah. Die
       Diskussion könnte heute eine andere sein. Der Jugendhilfeausschuss in
       Bremen will sich mit dem Heim nach der Sommerpause beschäftigen.
       
       5 Jun 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Plaene-zum-Einsperren-von-Kindern/!5297068
   DIR [2] http://daten.transparenz.hamburg.de/Dataport.HmbTG.ZS.Webservice.GetRessource100/GetRessource100.svc/5639618d-8420-4502-ae67-3e959f98fccf/Akte_900.12-2-2-54.pdf
   DIR [3] https://www.buergerschaft-hh.de/ParlDok/formalkriterien/1
   DIR [4] http://www.hamburg.de/contentblob/234038/1632a05a642bb31d74d05ca778a6b539/data/info-guf.pdf
       
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