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       # taz.de -- Brexit-Abstimmung in Gibraltar: Die Mehrheit ist eindeutig für die EU
       
       > Fast 90 Prozent der Einwohner der britischen Kronkolonie stimmen laut
       > lokalen Umfragen gegen den Brexit. Dafür haben sie gute Gründe.
       
   IMG Bild: Auch die berühmten Affen auf dem Felsen von Gibraltar werden sicher gerne in der EU bleiben
       
       Madrid taz | Wenn ein möglicher Brexit jemandem so richtig Angst macht,
       dann den „Llanitos“ – so nennen sich die Einwohner von Gibraltar in ihrer
       eigenwilligen Mischung aus Englisch und andalusischem Spanisch. Und das
       nicht ohne Grund.
       
       „Der derzeitige spanische Außenminister war deutlich: Wenn Britannien die
       EU verlässt, kann das zur Schließung der Grenze führen“, warnte der
       Chefminister des britischen Gebietes an der Südspitze Spaniens, Fabian
       Picardo, vor wenigen Tagen in Sky News.
       
       „Wenn Gibraltar weiterhin Zugang zum einheitlichen Markt Reisefreiheit
       will, kämen wir nicht umhin, eine geteilte Souveränität mit Spanien in
       Betracht zu ziehen“, fügt der Sozialist Picardo hinzu. Gibraltar wurde 1713
       im Rahmen des Friedens von Utrecht von Spanien an das Vereinigte Königreich
       abgetreten.
       
       Die Reaktionen auf das Interview des Chefministers ließen nicht auf sich
       warten. In London befürchtete so mancher Kommentator, die Regierung in
       Gibraltar könne Ernst machen und dem Vereinigten Königreich den Rücken
       kehren. Spaniens Presse sieht in den Erklärungen den Wunsch einer baldigen
       Rückkehr der Kronkolonie.
       
       ## 88 Prozent wollen Pro-EU votieren
       
       Doch was alle überhört hatten, war Picardos letzter Satz. Niemand auf
       Gibraltar sei „darauf vorbereitet, so etwas tatsächlich in Betracht zu
       ziehen“. Dem Chefminister geht es nicht darum, die Seiten zu wechseln,
       sondern den Brexit-Anhängern im Mutterland klarzumachen, dass „sie so
       manche Frage beantworten müssen“.
       
       Die rund 30.000 Einwohner wissen, was es bedeutet, eingeschlossen zu sein.
       1969 machte die Franco-Diktatur die 1,2 Kilometer lange Grenze zu Spanien
       dicht. Erst 1982, sieben Jahre nach Ende der Diktatur, als Madrid mit
       Brüssel über den EU-Beitritt verhandelte, wurde der Zaun wieder aufgemacht.
       Der Flugverkehr blieb bis 2006 verboten.
       
       Erst dann einigten sich London und Madrid über eine Nutzung des Rollfeldes
       am Eingang der Halbinsel. Gibraltar ist so EU-freundlich wie keine andere
       britische Region. Über 85 Prozent der 23.000 Wahlberechtigten „Llanitos“
       wollen beim EU-Referendum am 23. Juni abstimmen, 88 Prozent mit einem Ja
       zur EU, so die Umfragen des lokalen Gibraltar Chronicle.
       
       Gibraltar sorgt immer wieder für politische Missstimmung zwischen London
       und Madrid. Unter der sozialistischen, spanischen Regierung von José Luis
       Rodríguez Zapatero (2004-2011) sah es so aus, als könnten die
       Konfliktparteien langsam aufeinander zugehen. Erstmals wurde ein
       Dialogforum eingerichtet, an dem auch Vertreter der Regierung von Gibraltar
       selbst teilnahmen.
       
       Als 2011 die Konservativen unter Mariano Rajoy an die Regierung kamen,
       beendeten sie das „Dreiparteienforum“. „Nie zuvor hatte ein Außenminister
       Gibraltar auf eine Stufe mit Spanien und dem Vereinigten Königreich
       gestellt und somit anerkannt. Das war eine Schnapsidee“, heißt es dazu aus
       dem Madrider Außenministerium.
       
       Gibraltar ist für die spanische Rechte ein Reizthema. Daran hat sich seit
       der Franco-Diktatur nichts geändert. Doch die „Llanitos“ hoffen bei der
       Abstimmung am 23. Juni auf einen Verbleib in der EU und im Königreich.
       
       6 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
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