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       # taz.de -- Opposition in Aserbaidschan: Khadija Ismajilowa ist wieder frei
       
       > Dreieinhalb Jahre auf Bewährung statt siebeneinhalb Jahre Haft: Das
       > Oberste Gericht hat im Fall der Investigativjournalistin entschieden.
       
   IMG Bild: Wieder frei: Khadija Ismajilowa
       
       Berlin taz | Jubel, Tränen der Freude und bunte Luftballons beschriftet mit
       „Khadija“ und „frei“, die vor dem Obersten Gericht in der
       aserbaidschanischen Hauptstadt Baku in den Himmel steigen: Freunde und
       Verwandte von Khadija Ismajilowa waren am Mittwoch außer sich. Kurz zuvor
       hatte das Oberste Gericht in einem Berufungsverfahren verfügt, dass die
       Investigativjournalistin auf freien Fuß zu setzen sei und ihre
       siebeneinhalbjährige Haft- und eine dreijährige Bewährungsstrafe
       umgewandelt. Am 28. Mai begeht die Kaukasusrepublik den „Tag der Republik“,
       anlässlich dessen 3.500 Gefangene amnistiert werden sollen.
       
       Ismajilowa war im September vergangenen Jahres wegen Steuerhinterziehung,
       illegaler Geschäfte und Machtmissbrauchs zu siebeneinhalb Jahren Haft
       verurteilt worden. Den abstrusen Vorwurf der Anklage, sie habe einen
       Kollegen zum Suizid angestiftet, hatten die Richter vorher fallenlassen.
       
       Dass Ismajilowa wie auch andere Regierungskritiker und
       Menschenrechtsaktivisten in die Fänge der Staatsmacht gerieten, kam nicht
       unerwartet. Denn die 39jährige, die unter anderem als Reporterin für den
       US-Sender Radio Freies Europa (dessen Bakuer Büro wurde Ende Dezember 2014
       geschlossen) und das Organized Crime and Corruption Reporting Project
       (OCCRP) arbeitet, legt seit Jahren die korrupten Machenschaften der Familie
       von Staatspräsident Ilham Alijew gnadenlos offen.
       
       So deckte sie unter anderem auf, dass der Alijew-Klan große Anteile der
       lukrativsten Branchen Aserbaidschans übernahm, einschließlich Banken,
       Telefongesellschaften, der Mineral- sowie Bauindustrie, und dass dies oft
       unter Mitwirkung der aserbaidschanischen Regierung geschah.
       
       ## Neun Strandhäuser in Dubai
       
       Weiterhin wurde bekannt, dass innerhalb von zwei Wochen im Jahr 2009 Ilham
       Alijews damals elf Jahre alter Sohn Besitzer von neun Strandhäusern in
       Dubai mit einem Gesamtwert von 44 Millionen Dollar wurde. Auch am Bau der
       sogenannten Cristal Hall zum Schnäppchenpreis von 134 Millionen US-Dollar,
       die eigens für den ESC 2012 errichtet wurde, stieß sich die Alijew-Familie
       gesund.
       
       Nicht zuletzt auch aufgrund von Ismajilowas Recherchen kührte das OCCRP
       Ilham Alijew im Dezember 2012 zum „korruptesten Mann des Jahres“ – der bis
       dato erste jemals verliehene Titel dieser Art. Zu diesem Zeitpunkt stand
       Ismajilowa bei den staatlichen Behörden schon längst auf der Abschussliste.
       
       Im März desselben Jahres hatte die Journalistin Aufnahmen zugespielt
       bekommen, die sie angeblich beim Sex mit ihrem Freund in ihrem Schlafzimmer
       zeigten. In einem beiliegenden Brief wurde ihr eine „öffentliche
       Erniedrigung“ angedroht, sollte sie sich nicht „anständig verhalten“. Als
       Ismajilowa nicht auf diese Erpressungsversuche reagierte, landeten die
       Fotos im Netz.
       
       Im März dieses Jahres konnten 14 politische Häftlinge, darunter auch der
       bekannte Menschenrechtsaktivist Rasul Jafarow, nach einer Begnadigung durch
       den Präsidenten das Gefängnis verlassen. Der Oppositionsführer Ilgar
       Mammadow und Ismajilowa blieben in Haft – was für letztere den Ausschlag
       gab, in Berufung zu gehen.
       
       ## Geiseln des Regimes
       
       Kurz darauf veröffnete Ismajilowa, die mit dem diesjährigen Preis für
       weltweite Pressefreiheit der UNESCO, Guillermo Cano ausgezeichnet wurde,
       ein Editorial in der Washington Post. Darin heißt es: „Ich bin sehr
       glücklich, dass einige politische Gefangenen freigelassen worden sind. Aber
       ich bin kein Spielzeug im Austausch gegen einen diplomatischen Nutzen für
       Baku oder Washington. Wir sind Geiseln des Regimes, ob wir nun im Gefängnis
       sitzen oder draußen sind.“
       
       Laut Arastun Orulju, Politikwissenschaftler am Ost-West-Forschungsinstitut
       in Baku, verfolgt die Regierung einen bestimmten Plan. „Sie versucht Ilgar
       und Khadija zu neutralisieren. Vielleicht ist daran gedacht, dass sie das
       Land verlassen, sobald sie auf freiem Fuß sind. Oder sie werden versuchen
       die beiden dazu zu bringen mit ihrer Arbeit aufzuhören. Es ist schwierig zu
       sagen, was sie wirklich im Schilde führen.“
       
       25 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Oertel
       
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