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       # taz.de -- Proteste im ukrainischen Lemberg: Endzeit auf der Müllkippe
       
       > Wiederholt brennt es auf einer Deponie. Die Bevölkerung macht den rechten
       > Bürgermeister verantwortlich – und lädt Müll im Rathaus ab.
       
   IMG Bild: Retter auf der Suche nach Vermissten auf der Mülldeponie
       
       Kiew taz | Über tausend Sicherheitskräfte der ukrainischen Nationalgarde
       riegelten am gestrigen Donnerstag im westukrainischen Lemberg das
       Rathaus hermetisch ab, gewährten nur noch Mitgliedern des Rats und
       Journalisten Einlass.
       
       Am Vormittag waren wütende Bewohner von Lemberg in das Rathaus
       eingedrungen, hatten das Rednerpult besetzt und mit Plakaten „Ökozid“ den
       Rücktritt von Bürgermeister Andrij Sadowyj gefordert. Nach tumultartigen
       Szenen musste der Sekretär des Stadtrats, Anatolij Sabarilo, der zuvor von
       einem Ei getroffen worden war, die Ratssitzung abbrechen.
       
       Hintergrund des Konflikts ist die nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum
       entfernte Müllkippe Grybowytschi, die größte Mülldeponie der Ukraine. Dort
       waren bei einem Feuer am 28. Mai drei Feuerwehrleute umgekommen. Durch das
       Feuer hatte sich der Müll verschoben und die Feuerwehrleute mit seinen
       Massen erdrückt.
       
       Am Mittwoch brannte es erneut auf der Müllkippe, 700 Quadratmetern sind von
       dem Brand betroffen. Aus Angst vor erneuten Verschiebungen der Müllmassen
       entschied man sich für eine Brandbekämpfung aus der Luft.
       
       ## Politik mit Müll
       
       Die lokalen Behörden versuchen abzuwiegeln. Trotz des Brandes sei die
       Umweltsituation in Lemberg im Normbereich, berichtete der Leiter der
       Bezirksverwaltung, Oleg Sinjutka, gegenüber dem ukrainischen Fernsehsender
       112.ua.
       
       Demgegenüber erklärte der ukrainische Umweltminister Ostap Semerak, durch
       den Brand seien Grenzwerte überschritten. Nun müsse man alles unternehmen,
       um den Brand unverzüglich zu stoppen, so der Minister. Dieser habe bereits
       jetzt stellenweise Temperaturen von 360 Grad erreicht.
       
       Jetzt räche sich, dass man in Lemberg die Müllentsorgung lange Zeit nicht
       ernst genommen habe. Schuld seien die Behörden vor Ort. Damit dürfte er
       Bürgermeister Andrij Sadowyj, der gleichzeitig als Bundesvorsitzender der
       Partei „Selbsthilfe“ ein direkter Konkurrent von Präsident Poroschenko ist,
       gemeint haben.
       
       Nachdem Sadowyj die Zentralmacht in Kiew aufgefordert hatte, das Gebiet um
       die Müllkippe zum ökologischen Notstandsgebiet zu erklären, hatte Präsident
       Poroschenko dieses Ansinnen abgelehnt. Sadowyj solle besser den Müll
       entsorgen, als mit ihm Politik zu machen, so Poroschenko zu seinem
       Widersacher.
       
       In der Bevölkerung wächst die Kritik an Sadowyj, der lange ein
       Hoffnungsträger der patriotischen Opposition war. Dutzende von vollen
       Müllsäcken legten Aktivisten aus Lemberg am gestrigen Donnerstag vor dem
       Haus des Politikers ab.
       
       Schon 2003 hatten Gesundheitsbehörden eine Schließung der fünfzig Jahre
       alten Anlage gefordert. Dass die Müllkippe immer noch in Betrieb ist, ist
       vor allem einem Mann zu verdanken: Andrij Sadowyj, seit zehn Jahren
       Bürgermeister von Lemberg.
       
       10 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Clasen
       
       ## TAGS
       
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