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       # taz.de -- Die Wahrheit: Pessie, die Monsteruroma
       
       > Was den Schotten ihr Ungeheuer von Loch Ness, ist den Iren die Bestie von
       > Kilkee. Kommt es zu einem Gigantenkampf?
       
       Eigentlich ist es zu früh für Sommerlochgeschichten. Doch es ist die
       Jahreszeit, in der Touristen geködert werden müssen. Mit dem Wetter kann
       Irland schlecht punkten. Aber man kann den Schotten nacheifern. Die haben
       es geschafft, mit einem Seeungeheuer eine ganze Region zu sanieren.
       
       Die Iren haben nun ihr eigenes Monster wiederentdeckt. Bei der
       Digitalisierung von The Days’ Doings, einer viktorianischen Illustrierten,
       stieß man auf einen Artikel von 1871, in dem ein „großes und
       furchterregendes Seeungeheuer“ an der Küste der westirischen Grafschaft
       Clare beschrieben wird, das „aufgrund seiner furchtbaren Erscheinung die
       Nerven der Augenzeugen“ strapaziert habe. „Das Wesen hatte einen
       gigantischem Kopf, eine Mähne aus Seealgen und große, starrende Augen“,
       heißt es in dem Artikel.
       
       Damit man es sich vorstellen kann, gibt es eine Zeichnung dazu. Darauf ist
       ein tintenfischköpfiges Monster mit langem Schwanz und scharfen Zähnen zu
       erkennen, das schlecht gelaunt am Fuß einer Klippe herumlungert, während
       zwei Frauen in Ohnmacht fallen. Ein Mann mit Zylinder hingegen bleibt mutig
       am Rand der Klippe stehen.
       
       Erste Berichte über das Monster hatte es bereits 1850 gegeben. Damals
       berichteten Einheimische von einer Seeschlange, die sich auf einem Felsen
       im Meer gesonnt habe – und zwar ausgerechnet vor dem Seebad Kilkee, das
       schon damals vom Tourismus lebte. Man darf gespannt sein, ob das Monster
       nun wieder vor Kilkee auftaucht.
       
       Vorsichtshalber haben die Schotten dafür gesorgt, dass ihr eigenes Monster
       nicht von den Medien vernachlässigt wird. Sie haben den Beweis für die
       Existenz von Nessie gefunden – als ob es eines solchen Beweises bedurft
       hätte. Schließlich haben viele Menschen Nessie gesehen, und auch mir ist
       diese Ehre einmal zuteil geworden.
       
       Für die Skeptiker gibt es nun eine wissenschaftliche Erklärung. Der
       Schriftsteller und Geologe Hugh Miller hatte im 19. Jahrhundert Fossilien
       im Loch Ness gefunden und sie dem Museum von Inverness übergeben, wo sie in
       der Fossiliensammlung landeten. Als der Präsident des offiziellen
       Loch-Ness-Fanclubs, Gary Campbell, diese Fossilien kürzlich entdeckte,
       stellte er eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Ungeheuer fest und
       überredete Wissenschaftler, die Fossilien zu untersuchen. Die stellten
       fest, dass diese Pterichthyoides milleri die Urgroßmutter von Nessie sei.
       Sie gaben ihr den Namen Pessie.
       
       Die Uroma lebte im Paläozoikum auf dem Grund des Sees, der später Loch
       Ness wurde. Sie hatte einen Panzer, der sie vor Feinden schützte. Gemessen
       an ihrem Urenkel ist sie eher mickrig, aber das ist normal. Früher waren
       alle kleiner. Ich bin ja auch größer als meine Oma.
       
       „Das sind fantastische Neuigkeiten für alle Nessie-Fans“, freute sich
       Campbell. „Zum ersten Mal bekommen die Besucher des Loch Ness eine echte
       Nessie zu sehen, auch wenn sie ein paar Jahre älter ist als ihr Verwandter
       im See.“ Mal sehen, mit welchen Monsternachrichten die Iren kontern.
       
       13 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
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