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       # taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Spielverderber Rassismus
       
       > Karim Benzema wurde nicht ins französische EM-Nationalteam gewählt. Grund
       > dafür soll die Abwertung seiner Herkunft sein.
       
   IMG Bild: Karim Benzema feiert einen Sieg mit Real Madrid – in Frankreich gibt es nichts zu feiern
       
       Das französische Team für die Heim-EM steht. Nationaltrainer Didier
       Deschamps hat 23 Spieler an die Uefa gemeldet. Und alles ist wie eigentlich
       immer seit 2010, als sich das Nationalteam während der WM in Südafrika
       regelrecht zerlegt hat. Das Land spricht über das miese Benehmen von
       Fußballern, über die Herkunft der Kicker und über den Rassismus in der
       Gesellschaft. Über Fußball wird ein paar Tage vor der EM kaum gesprochen.
       
       Erwartungsgemäß gehört Karim Benzema, der Stürmer von Real Madrid, nicht
       zum Aufgebot. Der 28-Jährige findet das natürlich nicht so toll. Nun hat er
       gesagt, Deschamps habe bei seiner Entscheidung dem Druck einer
       rassistischen Partei nachgegeben. In Frankreich tobt nicht erst seit dem
       Interview in der spanischen Sportpostille Marca eine Debatte darüber, wer
       eigentlich die Nationalmannschaft aufstellt und welche Rolle dabei
       rassistische Motive spielen.
       
       Einer der selbst ernannten Nationaltrainer ist Ministerpräsident Manuel
       Valls. Der hatte im März gesagt: „Ich glaube, dass die Voraussetzungen für
       Benzema und eine Rückkehr in das französische Team nicht gegeben sind. Ein
       großer Sportler muss ein Vorbild für die Jugend sein.“ Als solches tauge
       der Spieler nicht mehr, seit er ins Zentrum von Ermittlungen in einer recht
       fiesen Erpressungsgeschichte um ein Video geriet, das seinen
       Nationalmannschaftskollegen Mathieu Valbuena beim Sex zeigen soll.
       
       Didier Deschamps hat Benzema daraufhin erst einmal nicht mehr berufen, was
       nach dem Willen des Ministerpäsidenten auch so bleiben soll. Der wurde
       übrigens von Staatspräsident François Hollande höchstpersönlich
       zurückgepfiffen, der die Fußballöffentlichkeit darüber belehrte, dass es
       der Nationaltrainer sei, der die Mannschaft aufstelle.
       
       Da waberte längst der Verdacht durch Frankreich, Benzema sei bei der
       Bewertung der Erpressungsvorwürfe das Opfer rassistischer Vorurteile
       geworden. Karim Djaziri, Benzemas Berater, ist sich schon lange sicher,
       dass es eine „gewisse Abneigung“ gegen seinen Klienten gebe, die mit dessen
       Herkunft zusammenhänge. „Er ist ein gut aussehender, junger, reicher
       Fußballer, der aus dem Maghreb stammt und dem Islam angehört. Das
       polarisiert“, sagt er über Benzema, der, seit aufgeflogen ist, dass er
       regelmäßig ein Bordell besuchte, in dem eine minderjährige Prostituierte im
       Angebot war, nicht gerade einen guten Ruf hat. In Umfragen spricht sich
       auch deshalb schon lange eine Mehrheit der Franzosen gegen Benzema als
       Nationalspieler aus.
       
       Seinen guten Ruf sieht auch Nationaltrainer Deschamps bedroht. Er will
       deshalb den ehemaligen französischen Nationalspieler Eric Cantona
       verklagen. Auch der ist sich sicher, dass der Grund für die
       Nichtberücksichtigung von Benzema dessen Herkunft ist. Deschamps sei zudem
       der Letzte, der einen französisch klingenden Namen trage. „Niemand in
       seiner Familie habe sich je mit jemandem vermischt – wie bei den Mormonen“,
       sagte er und heizte damit die andauernde rassistische Diskussion über die
       französische Auswahl weiter an.
       
       Ach ja, Fußball gespielt haben die Franzosen auch. In einem Testspiel
       bezwangen sie Kamerun in Nantes mit 3:2. Ein bisschen wurde danach auch
       über das Spiel gesprochen. Am meisten aber über die Pfiffe gegen Stürmer
       Olivier Giroud. Der war sich sicher, dass die Menschen gepfiffen haben,
       weil sie lieber Benzema als ihn gesehen hätten. Die EM kann kommen.
       
       1 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
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